Dienstag 13 Dezember 2016, 08:06

Trapattoni: "Ranieris Titelgewinn keine Überraschung"

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Giovanni Trapattoni hat alles gesehen und alles erlebt. Auf seine erfolgreiche Spielerkarriere beim AC Mailand folgten fast vier Jahrzehnte als Trainer und Titelsammler. Doch auch in über einem halben Jahrhundert im Fussball dürfte Trap so etwas wie Claudio Ranieris Sensations-Meisterschaft in der englischen Premier League mit Leicester City noch nicht erlebt haben. Dieses Titels wegen ist der Italiener nun für die Auszeichnung The Best FIFA-Welttrainer – Männer nominiert. Was für den Rest der Fussballwelt eine riesige Überraschung war, sieht Ranieris langjähriger Freund Trapattoni anders.

"Ganz ehrlich: Für mich war es keine Überraschung, dass Claudio mit Leicester City die Premier League gewonnen hat", erklärt Trapattoni im Exklusivinterview bei FIFA.com. "Nach den ersten positiven Ergebnissen ist es ihm gelungen, eine unglaubliche Euphorie im Klub zu erzeugen. Diese positive Grundstimmung kann Berge versetzen, besonders im britischen Fussball. Leicester spielte spektakulären Fussball und wurde von Begegnung zu Begegnung besser. All das war möglich, weil Ranieri alles organisiert hat. Seine Arbeit bei Leicester verdient höchsten Respekt und enorme Anerkennung."

Trapattonis eigene Trainerkarriere führte ihn in 40 Jahren quer durch Europa. In vier verschiedenen Ländern wurde er mit fünf Vereinen Meister. Auch andere Positionen innerhalb von Klubs und Verbänden hatte er inne. Die italienische Fussballlegende glaubt, dass Ranieri ein ganz ähnlicher Wandervogel ist und ihm genau das zu seinem großen Wurf verholfen hat.

"Ich würde ihn als gut vorbereiteten, intelligenten Trainer beschreiben", meint Trapattoni. "Er hat Mannschaften in fast allen europäischen Spitzenligen trainiert und ist entsprechend routiniert und erfahren. Schon als Spieler war er intelligent: ein hervorragender Verteidiger, still und konzentriert, genau wie heute. Ihn hat eine Zeit geprägt, als in Italien viele verschiedene Spielstile praktiziert wurden. Um einen Gegner zu schlagen, bedurfte es ungeachtet des Namens einer optimalen Leistung und in der Regel auch immer eines ganz eigenen Spielplans. Auf diese Weise sammelte man dann natürlich auch alle möglichen Erfahrungen."

Dieses dem italienischen Fussball entstammende besondere Wissen schätzt Trapattoni sehr. Ranieri wiederum spielte und trainierte in Italien in den verschiedensten Ligen und Tabellenregionen. Sein Freund Trap vertrat sein Land europaweit in verschiedensten Funktionen und freut sich, dass ein Landsmann nun die Gelegenheit hat, es ihm gleichzutun und für ein positives Bild vom italienischen Calcio zu sorgen.

"Sein Triumph war nicht nur einer für Leicester sondern auch einer für den italienischen Fussball", sagt Trapattoni über Ranieri. "Er ist das, was seine Erfahrungen als Spieler und Trainer in Italien aus ihm gemacht haben. Das ist wichtig für alle Trainer und alle Italiener. Wir brauchen positive Geschichte, die uns einen. Wir sind alle stolz, wenn einem unserer Landsleute eine solch große Ehre zuteil wird."

Wer wird 'The Best'? Außer Ranieri sind allerdings auch noch Fernando Santos und Zinedine Zidane für die Auszeichnung The Best FIFA-Welttrainer – Männer nominiert. Ersterer schaffte mit seinem Außenseitersieg bei der UEFA EURO 2016 ebenfalls eine große Überraschung, Letzterer holte seinen ersten großen Titel schon weniger als sechs Monate nach seinem Debüt als Trainer einer ersten Mannschaft und ist damit das genaue Gegenteil von Ranieri.

"Natürlich sind Santos und Zidane große Namen, die im laufenden Jahr Erfolge feiern konnten", räumt Trapattoni ein. "Aber ich denke, Ranieri hat eine realistische Chance zu gewinnen. Manchmal verdienen die Persönlichkeit, die harte Arbeit und die Art und Weise, wie Ziele erreicht wurden, einen Preis. Meiner Meinung nach sprechen alle diese Punkte für Ranieri. Deshalb räume ich ihm Chancen ein."

Die Frage lautet also: Kann sich Ranieri einmal mehr gegen die großen glamourösen Namen durchsetzen? "Er ist ein ehrlicher Arbeiter", betont Trapattoni. "Und früher oder später wird harte Arbeit belohnt. Wir hoffen alle, dass Ranieri gewinnt. Weil er es verdient hat."

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