Mittwoch 06 April 2022, 14:00

Spanien gegen Deutschland – zwei alte Giganten in neuen Gewändern?

  • Am 27. November treffen am 2. Spieltag der Gruppe E Spanien und Deutschland im Al Bayt Stadion in Katar aufeinander

  • Beide Teams haben nach dem Weltmeistertitel 2010 bzw. 2014 schwere sportliche Enttäuschungen erlebt

  • Wir werfen einen Blick auf die letzten Jahre und die Umstrukturierungen in beiden Teams

Am 27. November wartet auf die Fussballfans weltweit eine Partie der besonderen Klasse: Bereits in der Gruppenphase trifft der Weltmeister von 2010 auf den Sieger der WM 2014 – oder anders gesagt: Spanien gegen Deutschland. Und eins haben die beiden Teams gemeinsam: Nachdem sie die Spitze des Weltfussballs erreicht hatten, sind sie genauso schnell wieder gefallen. Wir werfen einen Blick zurück und berichten, was sich seitdem getan hat.

Südafrika 2010: Am 11. Juli macht sich Andrés Iniesta um kurz vor 11 zum unsterblichen Helden einer ganzen Nation. Mit dem Tor in der 115. Minute im Finale gegen die Niederlande gewinnt La Roja das erste Mal in ihrer Geschichte eine FIFA Fussball-Weltmeisterschaft. Zuvor waren sie noch kein einziges Mal über das Viertelfinale hinaus gekommen, aber in Südafrika erfüllten sie sich mit ihrem Tiki-Taka-Spiel den Fussballtraum.

Vier Jahre später in Brasilien hatten die Spanier ein Ziel: Titelverteidigung. Das war bisher zwar nur Italien (1934 und 1938) und Brasilien (1958 und 1962) gelungen, aber die Spanier reisten mit stolzer Brust nach Südamerika – und mussten schnell der Realität ins Auge blicken. Nachdem sie sowohl ihr Auftaktspiel gegen die Niederlande als auch das zweite Gruppenspiel gegen Chile verloren hatten, reichte der Sieg gegen Australien am letzten Spieltag nicht mehr aus – bereits in der Gruppenphase war Schluss. 

Deutlich besser machten es bei diesem Turnier die Deutschen. Mit ihrem fulminanten und historischen 7:1 Sieg gegen Brasilien im Halbfinale waren sich schon viele Fans vor dem Finale sicher: diese Nation ist bei diesem Turnier unschlagbar. Aber so leicht ließ sich Argentinien rund um Lionel Messi nicht schlagen – auch dieses Finale ging in die Verlängerung. Und wieder machte sich ein Spieler unsterblich: Mario Götze erzielte in der 112. Minute den erlösenden Treffer. Deutschland holte sich seinen vierten Stern und war an der Spitze des Weltfussballs angekommen.

Aber wie schon die Spanier mussten auch die Deutschen feststellen: wer hoch steigt, kann tief fallen. Schon nach der Gruppenphase bei der WM 2018 war Schluss – und zurück blieben viele Fragen und großer Unmut. 

Nun schreiben wir das Jahr 2022 – die Tragödie der Spanier ist acht Jahre her, die Deutschen hatten vier Jahre Zeit, sich von dem WM-Schock zu erholen – und seitdem hat sich bei beiden Teams viel getan. Umso besser ist es, dass die beiden Giganten für die FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Katar 2022™ in eine Gruppe gelost wurden.

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„Damit kein Zweifel aufkommt: Wir werden mit derselben Spielweise weitermachen. Wir können uns entwickeln. Den Spielern müssen Instrumente an die Hand gegeben werden. Die Nationalmannschaft hat Vorbildfunktion, alle haben unsere Spielweise analysiert ... Wir werden unser auf Ballbesitz ausgerichtetes Spiel beibehalten, jedoch einige Nuancen verändern und Verbesserungen vornehmen." Dieses Versprechen gab Luis Enrique bei der Pressekonferenz zum Amtsantritt, nachdem er La Roja nach der Weltmeisterschaft 2018 übernommen hatte. 2019 gab er das Traineramt aus persönlichen Gründen wieder ab, kehrte aber Ende 2019 zurück und seitdem läuft es für die Spanier rund: nach der erfolgreichen Qualifikation für die Europameisterschaft 2020 schaffte es das Team bis ins Halbfinale, musste sich dort aber dem späteren Europameister Italien im Elfmeterschießen geschlagen geben.

Dieser Erfolg rührt aber nicht nur von dem Trainertalent des 51-jährigen Enrique – die spanische Nationalmannschaft hat in den letzten Jahren viele junge Talente dazugewonnen, die das Spiel von La Roja maßgeblich beeinflusst haben. Und Luis Enrique zögert nicht lange, wenn es darum geht, den vielversprechendsten Talenten Spaniens Spielzeit und Verantwortung zu übertragen, ohne zu viel Wert auf Erfahrung zu legen. Und dieser Vertrauensvorschuss beflügelt die spanische Nationalmannschaft.

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Ballbesitz ausgerichtetes Spiel? Das kennt man von einem anderen Team nur zu gut: der deutschen Nationalmannschaft. Diese hat im letzten Jahr Hansi Flick von Weltmeistertrainer Joachim Löw übernommen. Flick, der bereits beim Titelgewinn 2014 Co-Trainer war, benannte bei seinem Amtsantritt ganz ähnliche Ziele wie Enrique: „Im Ausland hat man den deutschen Fussball, den Ballbesitzfussball, lange Zeit bewundert. Auch für uns ist es wichtig, Initiative zu zeigen und Ballbesitz zu haben, auch wenn wir Tore möglichst schnell erzielen wollen.“ Und die Bilanz gibt ihm Recht: Von den 9 Partien unser Hansi Flick verzeichnet die Nationalmannschaft 8 Siege und keine Niederlage. Ein weiterer großer Vorteil des 57-Jährigen: die Kombination aus starken Spielführern wie Thomas Müller und Manuel Neuer, die beide die 100-Spiele Marke geknackt haben und jungen Talenten wie Kai Havertz und Jamal Musiala. Und auch hier stimmen die Ansichten von Enrique und Flick überein: „Der Nachwuchs ist die Zukunft, aber unser Schwerpunkt ist, dass die besten Spieler für die Nationalmannschaft spielen“. 

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Der Schlüssel zum Erfolg ist also für beide Teams ganz ähnlich: Routiniers wie César Azpilicueta, Daniel Carvajal, Thomas Müller und Manuel Neuer bringen die nötige Erfahrung in die Mannschaft und Youngsters wie Pedri, Ferran Torres, Jamal Musiala und Kai Havertz bringen in den Ballbesitzfussball beider Teams geniale Momente. Die Frage wird sein: wer ist besser auf den Gegner eingestellt?

Luis Enrique und Hansi Flick bei der Endrundenauslosung für die FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Katar 2022™.