Dienstag 16 März 2021, 09:00

Six: "Die Qualifikation für die WM-Endrunde ist der Traum aller Guineer"

  • Guinea hat es noch nie zu einer WM-Endrunde geschafft

  • Die "Syli Nationale" spielt in der Qualifikation in einer Gruppe mit Marokko, Sudan und Guinea-Bissau

  • "Auf dem Papier sind wir hinter Marokko der zweite Favorit"

Guineas Nachwuchsmannschaften waren bereits mehrfach bei Weltmeisterschaften vertreten. So nahm das Team zwei Mal an der FIFA U-20-Weltmeisterschaft teil (1979 in Japan und 2017 in der Republik Korea) und sogar vier Mal an der FIFA U-17-Weltmeisterschaft.

Einer der Erfolgsfaktoren dahinter sind die hervorragenden Fussballakademien in der Hauptstadt Conakry. Selbst als das Land 2014/15 gegen einen Ebola-Ausbruch kämpfte, gelang es dem U-17 und dem U-20-Team aus Guinea, sich für die WM-Endrunde zu qualifizieren. Warum also hat es der A-Nationalmannschaft bislang noch nicht geschafft, sich einen Platz auf der größten Fussballbühne der Welt zu sichern?

FIFA.com sprach mit Guineas Nationaltrainer, dem Franzosen Didier Six, der auf eine sehr erfolgreiche Karriere als Spieler bei Klubs in Frankreich, England, der Türkei und Deutschland zurückblicken kann und mit einer fantastischen französischen Mannschaft den Titel bei der UEFA EURO 1984 gewann.

Nach seiner aktiven Karriere schlug Six wie viele seiner Landsmänner eine Trainerlaufbahn in Afrika ein. Nachdem er Togo beim CAF Afrikanischen Nationen-Pokal 2013 bis ins Viertelfinale geführt hatte, wobei sich das Team aus einer schweren Gruppe mit Algerien, Tunesien und der Elfenbeinküste qualifizierte, wurde er Trainer von Mauritius. Seit 2019 führt er nun die Nationalmannschaft Guineas, die er erstmals zu einer Teilnahme an einer WM-Endrunde führen will.

In welchem Zustand fanden Sie das Team bei Ihrer Ankunft in Conakry vor?

Ich möchte keine meiner Vorgänger kritisieren, denn sie könnten vor Problemen gestanden haben, die auch in Zukunft bekommen kann. Doch im Allgemeinen war das Team durch Probleme im nicht-sportlichen Bereich gehemmt. Wir mussten die Dinge wieder in die richtigen Bahnen lenken. Das fussballerische Niveau in Guinea ist hoch. Mit der richtigen Disziplin können wir viel erreichen.

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Die Nachwuchsteams des Landes blicken auf große Erfolge zurück, beispielsweise die Qualifikation für die FIFA U-20-Weltmeisterschaft 2017. Auch einige Klubs zeigen sehr ansprechende Leistungen, beispielsweise Hafia Conakry in den 1970er Jahren und aktuell Horoya Conakry. Doch die A-Nationalmannschaft hat sich noch nie für eine WM qualifiziert. Wie erklären Sie sich das?

So ist es in vielen Fällen. Es gibt zahlreiche starke Teams, die es noch nie zu einer WM-Endrunde geschafft haben. Die Qualifikation ist alles andere als leicht. Die Konkurrenz ist groß. Schließlich spielen 54 afrikanische Teams um gerade einmal fünf Plätze – wobei diese Anzahl ja in Zukunft erhöht wird.

Welches Ziel haben Sie sich in der aktuellen WM-Qualifikation mit Guinea gesetzt? Wollen Sie das Land zum ersten Mal zu einer WM-Teilnahme führen?

Die Qualifikation für die WM-Endrunde ist natürlich der Traum aller Guineer, der Fans, der Spieler und auch des Verbandspräsidenten. In meinem Vertrag gibt es eine Klausel bezüglich des Erreichens der WM-Endrunde in Katar. Wir werden es in unserer Gruppe mit starken Gegnern zu tun haben, und unsere Aufgabe wird nicht einfach sein, denn auch die weniger guten Mannschaften des Kontinents haben sich enorm weiterentwickelt und sind nicht mehr so leicht zu schlagen.

Wie schätzen Sie die Mannschaften von Marokko, Sudan und Guinea-Bissau ein, Ihre Gegner in Gruppe I?

Auf dem Papier sind wir hinter Marokko der zweite Favorit, aber wie ich schon gesagt habe, auch Teams wie Sudan und Guinea-Bissau haben einige gute Resultate eingefahren. Das war auch keinerlei Überraschung, denn die kleineren afrikanischen Teams haben viel geschafft und können ihren Gegnern das Leben sehr schwer machen.

Wie sehen Sie die bevorstehenden Derbys gegen Guinea-Bissau?

Wir werden gegen diesen Gegner spielen, wie gegen alle anderen, aber mit noch mehr Konzentration. Die Spieler in der Nationalmannschaft müssen Kampfgeist haben, denn das ist einer der wichtigsten Faktoren für gute Ergebnisse. Wir als Trainer müssen diejenigen Spieler wählen, die diese Mentalität haben. Bislang habe ich nur Naby Keita von Liverpool, Amadou Diawara von AS Rom und Mady Camara von Olympiakos. Spieler von Klubs wie Real Madrid, Barcelona oder Bayern München hingegen habe ich nicht. Wir müssen in der Lage sein, mit den verfügbaren Spielern mitzuhalten, und dafür müssen wir sicherstellen, dass die Spieler diesen Kampfgeist haben. Das ist überaus wichtig.

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Naby Keita kommt zwar bei Liverpool nicht viel zum Einsatz, doch er ist aktuell Guineas Topspieler. Haben Sie Ihr Team um ihn herum aufgebaut?

Es geht nicht darum, das Team um einen bestimmten Spieler aufzubauen. Ich finde, Keita hat geradezu magische Füße und ich habe ihn zum Kapitän gemacht, weil er eine echte Führungsfigur ist. Er gerät nie mit seinen Teamkameraden aneinander. Er spricht mit ihnen ganz ähnlich wie Zidane es mit seinen Spielern macht und er vermittelt seine Botschaft dabei sehr erfolgreich. Nach seiner Verletzung habe ich ihn in vier Tagen zwei volle Spiele bestreiten lassen und er hat uns dabei sehr geholfen und beim Auswärtsspiel in Mali gegen einen starken Gegner ein Tor erzielt. Er stellt sich stets in den Dienst des Teams und seine Teamkameraden tun alles, um ihm zu helfen. Wir brauchen stets seine Magie und seinen Kampfgeist auf dem Feld.

Sie leben derzeit in Conakry und sehen ganz sicher viele einheimische Spiele. Was brauchen Spieler aus Guinea, um in mehr europäischen Ligen Fuß zu fassen, so wie beispielsweise Spieler aus Algerien, Ghana, der Elfenbeinküste oder Marokko?

Wir alle wissen, dass Spieler aus Guinea technisch sehr beschlagen sind und die Situation in Guinea verbessert sich langsam aber sicher. Wenn das Nationalteam gute Resultate holt, werden die Spieler auch im Ausland beachtet. Es gibt auch Klubs, die viel geleistet haben, beispielsweise Hafia und Horoya Conakry. Die Menschen hier spielen in ihren Vierteln und manchmal sehe ich sie auf der Straße spielen, wenn ich vorbeifahre. Ich bin oft gefesselt und warte darauf, einen Schuss oder den Abschluss eines Spielzugs zu sehen. Die Guineer sind leidenschaftliche Fussballliebhaber.

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Glauben Sie, dass ein afrikanisches Team bei der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Katar 2022™ die späteren Runden erreichen kann?

Warum eigentlich nicht? Es gibt sehr viel Potenzial in Afrika. Wir haben eine enorme Transformation erlebt, insbesondere im Bereich der Mentalität. Außerdem gibt es mittlerweile in Europa sehr viele afrikanische Spieler. Algerien verfügt über einen exzellenten Kader. Das Gleiche gilt für Marokko. Und auch Ägypten sollten wir nicht vergessen. Jetzt muss nur noch die Auffassung überwunden werden, dass afrikanische Team nicht über das Viertelfinale hinauskommen können, das Ghana kürzlich erreicht hat. Es gibt viele gute Teams wie die Elfenbeinküste, die früher sehr stark waren und sich jetzt in einem Umbauprozess befinden.

Wie bereiten Sie Ihr Team in diesen schweren Zeiten angesichts der Covid-19-Pandemie vor?

Statt nur 30 Spieler holen wir jetzt 40 bis 45 Spieler in ein Trainingslager. Die FIFA hat kürzlich Regeln verabschiedet, die größere Kader zulassen. Das hilft den Trainern sehr, denn so haben sie in diesen schwierigen Zeiten deutlich mehr Flexibilität.