Dienstag 15 Dezember 2020, 16:39

Neid: "Wir haben sehr viel Wert auf die Trainerausbildung gelegt"

  • Silvia Neid ist die erste FIFA-Welttrainerin im Frauenfussball

  • Insgesamt erhielt die 56-Jährige diese Auszeichnung drei Mal

  • "Es ist ein mega Gefühl zur Besten auf der ganzen Welt gewählt zu werden"

Sie ist die Grand Dame des Frauenfussballs - nicht nur in Deutschland. Über 4000 Tage war sie im Amt der Bundestrainerin, führte Deutschland in dieser Zeit zum Weltmeistertitel (2007). Es folgten Platz drei bei den Olympischen Spielen 2008, zwei EM-Titel (2009 & 2013) und 2016 Olympisches Gold. International wurde Neid drei Mal zur FIFA-Welttrainerin im Frauenfussball gekürt und bleibt damit bisher unerreicht.

Vor der Vergabe der The Best FIFA Football Awards™ sprachen wir mit "Königin Silvia" über besondere Momente, erfolgreiche deutsche Trainer und was die besten Spieler und Spielerinnen auszeichnet.

Sie werden immer mit der Geschichte der FIFA Trainerin des Jahres im Frauenfussball verbunden sein. Diese Auszeichnung wurde 2010 erstmals vergeben, Sie haben diese damals erhalten. Mit welchen Gefühlen blicken Sie auf diesen Moment zurück?

Mit unbeschreiblich schönen. Die Auszeichnungen stehen hinter mir in meinem Büro. Aber da sind auch noch ein paar Adventskalender (lacht). Ich habe ein bisschen aufgeräumt und nur das, was mir ganz besonders wichtig war, hat hier seinen Platz gefunden.

Für mich persönlich war es etwas ganz Besonderes – auch wenn man immer sagen muss, dass ganz viele daran mitgearbeitet haben. Alleine schafft man das nicht. Es ist ein mega Gefühl zur besten Trainerin auf der ganzen Welt gewählt zu werden. Dies war beim ersten Mal und zweiten Mal so und beim dritten Mal auch – vor allem weil es 2016 eben mein letztes Turnier war und man mich wiedergewählt hat. Für mich war klar, dass jetzt für den Moment erst einmal – was das Trainerinnendasein angeht - eine Pause angesagt ist.

2020 ist/war alles andere als ein einfaches Jahr – für alle Menschen. Wie wichtig ist es, dass gerade in so einem Jahr die The Best Football Awards verliehen werden und damit ein kleines Stück Normalität zurückkehrt?

Ich finde es enorm wichtig, dass man The Best auch dieses Jahr verleiht. Es sind Auszeichnungen, die einfach verdient sind. Wenn eine Persönlichkeit ausgewählt wird, dann soll dieser Preis auch verliehen werden. Es ist ein bisschen schade, dass es in diesem Jahr nur virtuell stattfinden kann. Es ist schon ein Unterschied, ob man eine Präsenz-Veranstaltung hat, viele Menschen sieht, zahlreiche Gespräche führen kann oder ob es eben nur digital ist. Ich habe in Deutschland den Walther-Bensemann-Preis gewonnen (Ehrung für das Lebenswerk) und dieser wurde auch virtuell übergeben. Wenn man dann sieht, wie feierlich, festlich und angemessen es im letzten Jahr war, dann ist das halt schade. Trotzdem denke ich, dass es unheimlich wichtig ist, dass es durchgeführt wird.

In der Vorauswahl von The Best finden sich immer wieder deutsche Trainer, sowohl bei den Frauen als auch den Männern. Was sind in Ihren Augen die Gründe für diesen Erfolg?

Wir sind im Frauenfussball schon lange erfolgreich und haben sehr viel Wert auf die Trainerausbildung gelegt. Im männlichen und weiblichen Bereich. Wir haben in Deutschland sicherlich dazugelernt, was technisches und taktisches Training betrifft. Früher hieß es, dass die besten Trainer aus England, Spanien oder Italien kommen. Ich finde, dass wir in Deutschland sehr nachgelegt haben und unsere Fussballlehrer-Ausbildung mit zu den besten auf der Welt zählt. Das ist ein Grund dafür. Vielleicht auch die typisch deutsche Mentalität, die Disziplin, die wir alle mitbringen.

Dzsenifer Marozsan gehörte zur Vorauswahl. Sie kennen sie selbst sehr gut, haben sie lange trainiert. Was zeichnet sie aus?

Dzsenifer ist eine technisch grandiose Spielerin, das wissen wir alle. Sie ist eine Spielmacherin, hat den Blick für die Mitspielerinnen und kann entscheidende Tore schießen. Das habe ich 2013 selbst erlebt. Es war im Spiel gegen Schweden, wo wir es durch ihr wichtiges Tor geschafft haben ins EM-Finale einzuziehen. Sie kann ihre Mitspielerinnen perfekt einsetzen. Sie hat etwas Außergewöhnliches, das ihr der Trainer selbst nicht beibringen kann. Ich konnte ihr nicht sagen, mach in diesem oder jenem Moment dies oder das. Es ist diese Intuition, die sie einfach mitbringt. Das zeichnet die besten Spieler und Spielerinnen aus, dass sie durch ihre außergewöhnlichen Fähigkeiten Spiele entscheiden können.

r1way7avyyhsmubdglzn.jpg

Glauben Sie, dass die Entwicklung des Frauenfussballs aufgrund der Corona-Pandemie einen Rückschlag erlitten hat?

Dadurch, dass es in diesem Jahr keine Olympischen Spiele gab, fehlten die Vergleiche zwischen den Besten. Im März konnte man noch beim SheBelieves Cup, dem Algarve Cup und dem Turnier in Frankreich die Top-Teams beobachten. Bei diesen Turnieren im Frühjahr sieht man, ob die Trainer versuchen in ihrer Spielauffassung und Grundaufstellung etwas umzustellen oder in Pressingzonen zu variieren. Ich kann jetzt leider nicht sagen, wie es sich weiterentwickelt hat. Man hat im Sommer nichts gesehen. Die Qualifikationsspiele haben wenig mit Trendanalyse oder Entwicklung zu tun. Es fehlen die Vergleiche auf hohem Niveau bei den Olympischen Spielen. Aber das Gute ist, das sie – Stand jetzt - im nächsten Jahr stattfinden.

Viele Mannschaften, die verjüngen und umstrukturieren wollen, haben jetzt viel Zeit und konnten viel einstudieren. Die Trainerinnen und Trainer hatten Zeit mit den Spielerinnen zu arbeiten, zu vermitteln, was sie wollen und wie die Entwicklung innerhalb ihrer Mannschaft aussehen soll. Ich freue mich schon jetzt auf 2021, um zu sehen, was bei den Olympischen Spielen passiert. Was wurde erarbeitet, was haben die Trainer umgestellt, wie haben sich die Spielerinnen entwickelt? Man hat als Trainer und Trainerin mehr Zeit bekommen, die eigene Mannschaft weiterzuentwickeln.

Ich finde es sehr schade, dass die U-Turniere nicht stattfinden. Diese sind für die jungen Spielerinnen enorm wichtig. Dort lernen sie unheimlich dazu. Ich bin gespannt, wie die Spielerinnen damit umgehen. Ich kann mir vorstellen, dass die Entwicklung bei einem Turnier auf dem höchsten Niveau fehlen wird.

Wie hat sich Ihre Arbeit durch die Pandemie verändert?

Ich sitze eigentlich die meiste Zeit vor dem Computer, schaue mir in meinem Kämmerchen die Spiele an (lacht), analysiere diese und versuche die Auffälligkeiten herauszuarbeiten. Es hat halt nichts mehr mit Live-Spielen zu tun, und das ist sehr schade. Bei einem Live-Spiel sieht man die Mentalität der einzelnen Mannschaften und das geht hier am Laptop völlig verloren.

Können Sie dem Jahr 2020 trotz allem auch etwas Positives abgewinnen?

Was unsere Arbeit beim DFB angeht kann ich sagen, dass wir durch diese ganzen Videocalls einen Tick enger zusammengerückt sind. Man ist sehr informiert, was die Kollegen und andere Abteilungen angeht. Im privaten Bereich hat es schon dazu geführt, dass man ein bisschen in sich gekehrt und enger mit der Familie verbunden ist. Man hofft, dass alle gesund bleiben und achtet aufeinander. Ich wünsche mir, dass wir nächstes Jahr wieder zu unserem gewohnten Leben zurückkehren und wir uns wieder normal begegnen können. Ich vermisse diese Herzlichkeit, dass man sich umarmt oder die Hand gibt. Ich hoffe einfach, dass wir alle weiter gesund bleiben und gut aus dieser Krise herauskommen.

Am 17. Dezember fällt die Entscheidung

Die Gewinnerinnen und Gewinner in allen Kategorien, einschließlich des FIFA-Fanpreises und des FIFA-Fairplay-Preises, werden am 17. Dezember 2020 ab 19.00 Uhr MEZ in einer TV-Show gekürt.

Alle Nachrichten zu The Best FIFA Football Awards™ finden Sie auf FIFA.com, der offiziellen Facebook-Seite zu The Best FIFA Football Awards™ und dem FIFA-Kanal auf YouTube.

Wer soll Ihrer Meinung nach dieses Jahr gewinnen? Diskutieren Sie mit unter dem Hashtag #TheBest**.**