Donnerstag 11 August 2016, 10:36

Mammarella: Mehr als eine Frage des Gewichts

"Mammarella, du hast einen dicken Hintern, geh' ins Tor." Stefano Mammarella war sechs Jahre alt, als sein damaliger Trainer diese spitze Bemerkung machte. Er fügte sich, ohne aufzumucken, und Italien kann sich dazu nur gratulieren. Denn auf diese erste Zeile einer unglaublichen Geschichte folgten ein kontinuierlicher Aufstieg bis zum Gipfel seiner Disziplin und eine ganze Reihe von schönen Kapiteln. "Mein alter Trainer freut sich immer, mich zu sehen. Er hat mich vor einigen Jahren sogar gefragt, ob ich eine Fussballschule besuche, um Kinder zu treffen", sagt er stolz im Gespräch mit FIFA.com.

Der Torwart sollte seine bevorzugte Position nie wieder verlassen. Die einzige richtige Veränderung erfolgte im Alter von 15 Jahren, als er den Rasenfussball hinter sich ließ und zum Futsal wechselte. Es war wie eine Offenbarung. Mammarella spielt gern auf kleinsten Räumen und sein neuer Lieblingssport ist der ideale Ort, um diese zu finden. Seit seinem Debüt für die Squadra Azzurra 2008 verlief seine Entwicklung geradezu schwindelerregend. Bei der FIFA Futsal-WM Thailand 2012 wurde er mit dem adidas Goldenen Handschuh als bester Torwart ausgezeichnet. Knapp zwei Jahre später gewann der Schlussmann mit seinem Team die UEFA Futsal-EM 2014.

Es ist bekannt, dass Talent eine unabdingbare Voraussetzung für eine große Karriere ist, aber alleine nicht ausreicht. Mammarella verfügt darüber hinaus über eine ungewöhnliche mentale Stärke, von der auch die Anekdote aus seiner Kindheit zeugt. Sein Selbstvertrauen paart sich mit der nötigen Portion Bescheidenheit. Der Torhüter ist sich einfach seiner Fähigkeiten bewusst. "Ich beurteile mich nicht gerne selbst, das überlasse ich lieber anderen. Aber wenn ich meine Bescheidenheit beiseitelege, glaube ich sagen zu können, dass meine Karriere für sich spricht und ich momentan zu den besten Futsal-Torhütern gehöre", sagt der 32-Jährige, der verschiedene andere Keeper bewundert, insbesondere seinen kasachischen Kollegen Higuita. Den Spitznamen zur Stärke machen Mammarella ist zwar in andere Dimensionen vorgestoßen, hat sich aber in Wahrheit nicht verändert. "Man nennt mich Cucchiaio , weil ich so gerne esse. Obwohl ich aufpasse...", ergänzt er vorsichtshalber, um klarzustellen, dass er seine Leidenschaft im Griff hat. Inzwischen hat er daraus eine Stärke gemacht und seinen Spitznamen lieben gelernt. Sein Gewicht war der Vorwand, um seine ersten Schritte im Tor zu machen. Heute ist er aber davon überzeugt, dass seine auf 1,77 Meter verteilten 92 Kilogramm einen Vorteil für ihn darstellen. "Dieses Übergewicht ist ein Glück. Ich hoffe, bis zum Ende meiner Karriere so zu bleiben. Es gibt mir die Stärke und Explosivität, um unmögliche Paraden zu machen", versichert er.

Wer möchte ihm widersprechen angesichts der Bedeutung, die er für eine Mannschaft erlangt hat, die seit ihrer Rückkehr auf die weltweite Bühne immer auf dem Siegertreppchen stand? Vizeweltmeister in Chinese Taipei 2004, Dritter in Brasilien 2008 und Thailand 2012. Wenn man in Italien von Torhütern spricht, bleibt der Vergleich mit einer anderen Legende nicht aus. "Ich träume von einer ähnlichen Karriere wie Gianluigi Buffon und möchte noch sehr lange spielen können. Ich merke, wie die Zeit vergeht und mich jeder Tag dem Ende näherbringt, aber ich mag diesen Sport so sehr, dass ich meine Geschichte so lang wie möglich fortschreiben will, indem ich mein Bestes gebe."

Da trifft es sich gut, dass sich Italien vom 10. September bis 1. Oktober in Kolumbien erneut mit der Weltelite des Futsals messen wird. Nach den Podiumsplätzen bei den zwei letzten WM-Endrunden steht fest, wonach das Team streben wird: Eine Verbesserung gegenüber Thailand. Ein realistisches Ziel? "Ich bin optimistisch. Wir verfügen nicht nur über das Können, sondern spielen als Team schon seit Jahren zusammen und haben mehr als genug Erfahrung." Aber die Unterschiede im Futsal werden wie im Fussball immer geringer. Vorbei sind die Zeiten, in denen der Sieg nur eine Formsache war. "Es gibt keine wirklich kleinen Teams mehr. Wir sind in der Gruppenphase zwar favorisiert, aber Vietnam, Guatemala und Paraguay werden uns ernste Schwierigkeiten bereiten", warnt er. Er ist sich dessen bewusst, dass es auch im Futsal auf jedes Detail ankommen kann. Zum Beispiel ein Kilo weniger - oder eins mehr.