Freitag 08 April 2022, 17:00

Katar: Sánchez und seine Schützlinge von der Aspire Academy

  • Katars Trainer Félix Sánchez legte vor 16 Jahren den Grundstein für diese goldene Generation

  • Sein Team trifft in Gruppe A der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft 2022™ auf Ecuador, Senegal und die Niederlande

  • Acht Spieler aus der U-19-Auswahl, die 2014 Asienmeister wurde, könnten bei der WM dabei sein

Die Hoffnung schwand auf Seiten Katars, als die Uhr am Abend des 10. Oktober 2014 in Myanmars Hauptstadt Naypyidaw die 75. Spielminute anzeigte. Schon seit der fünften Minute lagen die jungen Katarer im Eröffnungsspiels der AFC U-19-Meisterschaft gegen Korea DVR zurück, und alle Versuche, den Ausgleich zu erzielen, waren vergeblich gewesen.

Dann landete ein langer Ball eher zufällig vor den Füßen von Ahmed Al-Saadi, der ihn sofort in Richtung Tor schoss. Der Ball wurde von einem koreanischen Verteidiger mit der Hand berührt, und mit dem anschließenden Elfmeter keimte die Hoffnung wieder auf.

In den folgenden zehn Spielminuten erzielten die Angreifer Almoez Ali und Akram Afif zwei Tore, die den Spielverlauf komplett änderten und eine Serie von vier Siegen in Folge einleiteten, darunter ein Sieg gegen Gastgeber Myanmar im Halbfinale und ein weiterer gegen Korea DVR im Finale. Damit konnten Sánchez' junge Schützlinge erstmals in der Geschichte Katars die Trophäe der asiatischen Nachwuchsmeisterschaft in die Höhe stemmen.

Pedro Miguel, Mohammed Muntari, Bassam Hisham und Akram Afif

Damals war sich allerdings kaum jemand bewusst, welch großes Projekt die Katarer hinter den Kulissen umsetzten. Doch nicht einmal fünf Jahre später, am 1. Februar 2019, erzielten Ali und Afif zwei Tore in einem viel bedeutenderen Spiel im Zayed Sports City Stadium und erfüllten ihren Trainer mit Stolz. Félix Sánchez ist eigentlich kein Mensch, der zu übermäßigen Emotionen neigt, doch seine unbändige Freude an diesem Abend auf dem Spielfeld verdeutlichte das Ausmaß des gerade erreichten Erfolgs: Katar hatte die kontinentale Fussballmacht Japan mit 3:1 besiegt und zum ersten Mal in seiner Geschichte die Asienmeisterschaft gewonnen. Vor dieser Nacht in Abu Dhabi war Katar bei der alle vier Jahre stattfindenden Kontinentalmeisterschaft noch nie über das Viertelfinale hinausgekommen.

Noch beeindruckender war dieser Erfolg, weil in Sánchez' Kader nicht weniger als acht der 22 Spieler standen, die sich 2014 in Myanmar durchgesetzt hatten, darunter auch die beiden Torschützen von damals. Und es hätten sogar noch mehr als acht sein können, wenn sich Abdullah Al-Ahrak und Ahmed Moin nicht vor dem Turnier verletzt hätten.

Hätten Sie's gewusst?

  • Katar hofft, als erstes asiatisches Team überhaupt sein erstes Spiel bei einer Weltmeisterschaft zu gewinnen. Zehn der elf asiatischen Mannschaften, die bisher an einer WM-Endrunde teilgenommen haben, verloren ihr Eröffnungsspiel. Kuwait erreichte 1982 in Spanien immerhin ein Unentschieden gegen die Tschechoslowakei.

  • Das Tor, das Katar im Finale des AFC Asien-Pokals 2019 gegen Japan kassierte, war das einzige Mal, dass Torhüter Saad Al-Sheeb bei diesem Turnier hinter sich greifen musste. Gleichzeitig erzielte das Team rund um Kapitän Hassan Al-Haydos 19 Tore.

  • Mit nur zehn Schüssen wurde Almoez Ali Torschützenkönig des AFC Asien-Pokals 2019. Seine damit erzielten neun Treffer sind die höchste Ausbeute, die je ein Spieler bei einer Asienmeisterschaft erreicht hat.

Félix Sánchez, Trainer von Katar

Die Leitung der katarischen Nationalmannschaft war die erste Position als Cheftrainer in Sánchez' Karriere. Der junge Katalane glaubte fest an die Entwicklung junger Spieler und begann im Alter von 21 Jahren als Trainer an Barcelonas berühmter La Masia-Akademie. Die Kenntnisse, die er dort in den nächsten zehn Jahren erwarb, waren einer der Hauptgründe dafür, dass Katar ihm 2006 anbot, an die noch junge Aspire Academy zu kommen.

Sechs der acht Spieler, die die AFC U-19-Meisterschaft und dann auch die Asienmeisterschaft der A-Nationalmannschaften gewannen, verbrachten ihre Zeit in der Aspire Academy, lernten dort die Geheimnisse des Fussballsports und wurden zu vorbildlichen Profis, die Katar bei der Heim-WM 2022 zu neuen Höhen führen können.

Der Weg zum Ruhm von Myanmar bis in die Vereinigten Arabischen Emirate führte über León im Nordosten Spaniens, Eupen in der belgischen Region Wallonien und Linz in Oberösterreich, wo junge katarische Spieler zu verschiedenen europäischen Vereinen geschickt wurden, um das in ihrer Akademie Gelernte anzuwenden.

Abdelkarim Hassan beim Asien-Cup 2019

Der Kader für 2014 wurde durch weitere Spieler verstärkt, die aus europäischen Ligen zurückgekehrt waren. Abdelkarim Hassan war damals bereits zu alt für die AFC U-19-Meisterschaft in Myanmar, wurde aber dennoch zu einer der tragenden Säulen der A-Nationalmannschaft, für die er mittlerweile mehr als 120 Länderspiele absolvierte, obwohl er erst 28 Jahre alt ist. Hassan profitierte stark von seiner Erfahrung im belgischen Eupen. Er entwickelte sich zu einem der besten Linksverteidiger Asiens und gewann 2018 die prestigeträchtige Auszeichnung Asiens Fussballer des Jahres.

Und die Erfolge von Sánchez und seinen Mannen beschränken sich nicht auf Asien. Katar nahm an der Copa América 2019 teil und erreichte danach das Halbfinale des Concacaf Gold Cup, wo das Team erst in den letzten Spielminuten durch ein einziges Tor gegen Gastgeber USA verlor.

Nach der erfolgten Endrundenauslosung der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Katar 2022™ wissen Almoez, Akram und ihre Teamkameraden nun, was sie in der Gruppenphase erwartet. Der Moment, auf den Sánchez seit seiner Ankunft in Katar vor 16 Jahren hingearbeitet hat, steht nun im Eröffnungsspiel gegen Ecuador bevor. Danach tritt Katar gegen Senegal und die Niederlande an und will dem weltweiten Publikum zeigen, welch enorme Fortschritte gelungen sind.

Während viele die Reise, die sie gemeinsam begonnen haben, zu Ende bringen werden, wird der verstorbene Verteidiger Serigne Abdou in ihren Herzen und Gedanken sein, wenn sie das Spielfeld im Al-Bayt-Stadion betreten. Der aufstrebende Star verstarb 2016 im Alter von nur 21 Jahren an einer Krebserkrankung.