Donnerstag 01 September 2016, 12:37

Jennings: WM-Qualifikation Nordirlands dank weißer Weste

Nicht viele Spieler können von sich behaupten, ihre WM-Karriere als Rekordhalter beendet zu haben. Torhüter Pat Jennings ist einer von ihnen. Denn der 119-fache nordirische Nationalspieler beendete seine Karriere bei der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Mexiko 1986™ an seinem 41. Geburtstag. Damit war er zum Ende seiner Karriere, in der er an sechs WM-Qualifikationen teilgenommen hatte, der älteste Spieler, der je bei einer WM zum Einsatz gekommen war.

Obwohl er die 40 bereits überschritten hatte, brillierte der Ex-Torhüter von Tottenham Hotspur und Arsenal wie ein halb so alter Schlussmann und zeigte in seinem letzten Spiel eine ganze Reihe akrobatischer Rettungstaten gegen Brasilien mit Stars wie Socrates, Zico und Careca. Nach der Niederlage gegen die überwältigend starken Brasilianer schied Nordirland aus. Seitdem hofft das Land auf eine Rückkehr zur WM-Endrunde. Für Jennings fiel mit dieser Partie der Vorhang zu seiner herausragenden Karriere.

"Das war ein sehr guter Abschied", so Jennings gegenüber FIFA.com. "Ich hätte sogar noch weiter spielen können, denn ich hatte keine Verletzungen. Aber es war ein guter Zeitpunkt für den Rücktritt. In der Saison 1985/86 hatte ich nur noch in der zweiten Mannschaft von Tottenham Hotspur gespielt. Ich hatte eigentlich schon mehr oder weniger mit dem Fussball aufgehört und kam nur zurück, um dem Team in der WM-Qualifikation auszuhelfen.

Eigentlich habe ich überhaupt nicht damit gerechnet, dass wir uns für Mexiko qualifizieren würden. Doch dann blieben wir in den letzten vier Spielen vier Mal ohne Gegentor und das hat uns letztlich die Qualifikation eingebracht. Unser Erfolg basierte darauf, keine Gegentore zu kassieren und auf einen eigenen Treffer zu hoffen. Die Qualifikation gelang dann endgültig im letzten Spiel, ausgerechnet gegen England im Wembley-Stadion. Wir brauchten mindestens ein Unentschieden und bei einem Gegentor wären die Lichter wohl ausgegangen. Aber am Ende blieben wir auch hier ohne Gegentor und waren damit qualifiziert."

Ein Rennen gegen die Zeit Die erfolgreiche Qualifikation für die FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Mexiko 1986™ war einer der Höhepunkte von Jennings Karriere in der nordirischen Nationalmannschaft. Noch herausragender war indes ein historisches Resultat bei der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Spanien 1982™. Dort gelang den Nordiren eine der größten Überraschungen der WM-Geschichte. Im letzten Gruppenspiel setze sich der Außenseiter mit 1:0 gegen den WM-Gastgeber unter Trainer José Santamaria durch.

Diesen Sieg genoss der damals 37-jährige Torhüter sogar noch mehr, insbesondere da er zuvor schon fast davon ausgegangen war, seine Chance bei einer WM zu spielen verpasst zu haben.

"Ich hatte wirklich nicht damit gerechnet, bei diesem Turnier dabei zu sein", so Jennings. "Im Januar hatte ich eine Leistenverletzung und konnte vor der WM-Endrunde nur drei, vier Spiele bestreiten. Wir hatten uns erstmals seit fast 25 Jahren wieder qualifiziert und ich musste befürchten, die WM wegen mangelnder Spielpraxis zu verpassen! Das war eine schreckliche Saison für mich. Bis Mai hatte ich alle paar Wochen einen Rückfall. Doch am Ende war ich bei der Endrunde dabei.

Und dann haben wir tatsächlich Gastgeber Spanien besiegt. Damit hatte niemand gerechnet. Es war ein wirklich fantastisches Gefühl. Wir mussten sogar die letzte halbe Stunde in Unterzahl spielen, nachdem Mal Donaghy einen Platzverweis kassiert hatte. Dieses Spiel war definitiv der Höhepunkt meiner Zeit in der Nationalmannschaft."

Altbekannte Konkurrenten 30 Jahre sind seit der letzten WM-Teilnahme Nordirlands vergangen. In die Qualifikation für Russland 2018 starten die Nordiren dennoch mit verhaltenem Optimismus. Das Team von Trainer Michael O'Neill war bei der UEFA EURO 2016 in Frankreich erstmals seit drei Jahrzehnten wieder bei einem großen internationalen Turnier dabei und sorgte mit dem Erreichen der K.o.-Runde gleich für die nächste Überraschung.

In der WM-Qualifikation treffen die Nordiren nun auch auf Titelverteidiger Deutschland und damit wieder auf einen altbekannten Konkurrenten, gegen den sie auch bei der EURO angetreten waren. Die Nordiren hoffen, dass Torhüter Michael McGovern dabei wieder glänzen wird. Bei der Europameisterschaft hatte er in dem Duell einige Glanzparaden gezeigt und maßgeblich dazu beigetragen, dass die Niederlage gegen die Mannen von Joachim Löw mit 0:1 nur denkbar knapp ausfiel.

Angesichts der Klasseleistung von McGovern sangen die nordirischen Fans: 'Are you Pat Jennings in disguise?' (Bist du ein verkleideter Pat Jennings?), erinnert sich Jennings mit einem breiten Lächeln. "Er hatte allen Grund, auf seine Leistung stolz zu sein. Er war völlig unverzagt, warf sich in die Schüsse, riskierte viel und zeigte zahlreiche tolle Paraden – und das alles gegen den amtierenden Weltmeister. Er hat mit seiner Leistung maßgeblich zu dem knappen Ergebnis beigetragen und damit auch zum Weiterkommen Nordirlands."

Die Basis für künftige Erfolge Jennings kann die Heimspiele Nordirlands aus der nach ihm benannten Pat-Jennings-Lounge im kürzlich modernisierten Windsor Park verfolgen, wo er auch Ehrengäste des Verbandes begrüßt. "Darauf bin ich sehr stolz. In gewisser Weise werden dadurch die Jahre zurückgedreht. Es erinnert mich an meine aktive Zeit als Spieler und sogar an die Jahre, als mein Vater mich als Kind mit in den Windsor Park nahm."

Der zweifache WM-Teilnehmer ist zudem in das Förderprogramm des irischen Fussballverbandes eingebunden und arbeitet somit an der Förderung der nordirischen Stars von morgen.

"Das ist eine große Ehre für mich. Ohne Nachwuchsarbeit gibt es keinen Fussball. Es macht mir viel Freude, zu dieser großartigen Arbeit beizutragen. Alle erledigen ihre Aufgaben fantastisch", so der mittlerweile 74-Jährige. "Wir spielen seit einigen Jahren meist mit Fünferteams auf dem Kleinfeld. Früher jagten 22 Kinder dem Ball auf dem großen Spielfeld hinterher. Das war nicht sehr effektiv. Heute haben sie alle viel mehr Ballberührungen, müssen den Ball besser kontrollieren, haben mehr Torschüsse - und auch die Torhüter werden jetzt viel intensiver gefordert und müssen mehr halten."

Und wer weiß, vielleicht stolpert der legendäre Schlussmann ja schon bald über einen neuen Pat Jennings…