Mittwoch 19 Oktober 2016, 23:21

Japans Trainer setzt auf Rotation

Japans Nationalcoach Naoki Kusunose ist immer wieder für Überraschungen gut. Das haben Fans, Journalisten und sogar seine eigenen Spielerinnen im Laufe der FIFA U-17-Frauen-Weltmeisterschaft Jordanien 2016 gelernt.

Wenn man sich die häufigen und teilweise gravierenden Änderungen in Kusunoses bisherigen Aufstellungen vor Augen führt, scheint es fast leichter zu sein, das Ergebnis im Finale der U-17-Frauen-Weltmeisterschaft am Freitag richtig vorherzusagen als Japans Startelf. Japans Auswahltrainer hatte bereits zum Ende der Gruppenphase allen 21 Spielerinnen seines Kaders Einsatzzeit gegönnt – und sein Team dabei mehrmals komplett umgekrempelt. Dieses Wechselspiel setzte er in der K.-o.-Runde fort und schreckte selbst davor nicht zurück, auffällige Spielerinnen durch unbekannte Akteurinnen zu ersetzen.

Auch im Halbfinale wich Kusunose nicht von seinem Kurs von durchschnittlich fünf Startelf-Änderungen pro Partie ab und ließ damit bei so manchem Beobachter die Frage aufkommen, ob diese Philosophie wirklich zum Erfolg führen kann. Gleich drei Spielerinnen ihr Startelfdebüt zu geben, war bemerkenswert. Doch dass der Trainer dann noch auf Riko Ueki verzichtete, die in drei der vier vorherigen Partien zur Spielerin des Spiels gekürt worden war, ist schon außergewöhnlich. Dies gilt umso mehr, da Japan in der Vorschlussrunde auf Spanien traf. Der Finalist des Jahres 2014 hatte zuvor Deutschland bezwungen und ist wahrlich kein Team, das man im Vorbeigehen mit einer B-Elf nach Hause schickt. Rotation nicht von allen Beteiligten befürwortet "Ob es riskant war? Ja, daran gibt es keinen Zweifel", gibt Kusunose gegenüber FIFA.com unumwunden zu. "Obwohl wir 3:0 gewonnen haben, hätten wir das Spiel gut und gerne auch verlieren können. Wir hatten einige kritische Situationen zu überstehen."

Japans Trainer räumt ein, dass seine Rotation nicht von allen Beteiligten befürwortet wird, auch wenn dadurch alle Spielerinnen Einsatzzeit bekommen haben. "Im Fussball ist es immer das Gleiche – alle denken, dass sie in jedem Spiel in die Startelf gehören. Daher gab es bisweilen etwas Frust und manchmal sogar Neid zwischen den Akteurinnen. Das kann in der Vorbereitung auf die nächste Begegnung schon anstrengend sein."

Vor diesem Hintergrund stellt sich unweigerlich die Frage, warum der Trainer das Risiko einer angespannten Atmosphäre und eines Ausscheidens in Kauf nimmt. "Wenn ich die A-Nationalmannschaft trainieren würde, dann würde ich anders handeln", so Kusunose. "Aber wir sind hier mit einer Nachwuchsmannschaft bei einem Nachwuchsturnier. Ich bin der Meinung, dass alle meine Spielerinnen echte Turniererfahrung sammeln sollen, um sich weiterentwickeln und eines Tages vielleicht in der A-Nationalmannschaft auflaufen zu können."

Die Ausbildung über den Erfolg zu stellen erscheint nobel, wenn nicht gar selbstlos. Kusunose hat es irgendwie geschafft, beides miteinander zu verbinden und trotz seiner wilden Rotation die eindrucksvolle Stärke und die geschlossene, elegante Spielweise seines Teams aufrecht zu erhalten. Wenn es bei fünf klaren Siegen ohne erkennbare Fehler mit beeindruckenden Leistungen überhaupt einen Schönheitsfehler geben sollte, dann ist besteht dieser darin, dass mittlerweile weder der Trainer noch Außenstehende in der Lage sind, die beste Elf zu benennen!

"Dieses Team verfügt über eine unglaublich hohe Leistungsdichte", sagt Kusunose. "Aus diesem Grund ist es unwahrscheinlich schwer, von den 21 Spielerinnen elf für die Anfangsformation auszuwählen."

Doch genau das muss Kusunose bis zum Freitag tun, wenn er mit seinem Team das sechste und mit Abstand wichtigste Spiel der diesjährigen U-17-Frauen-WM in Jordanien bestreitet. "Die Koreanerinnen sind richtig stark""Die Aufstellung? Sie steht größtenteils fest. Ich habe eine klare Vorstellung, schaue aber immer, wie sich die Spielerinnen fühlen und wie sie sich im Training präsentieren. Eine Spielerin stand bei diesem Turnier bisher noch gar nicht in der Startelf. Es wäre schön, wenn sie diese Chance von mir erhalten würde. Ich habe mich noch nicht endgültig festgelegt, aber mir ist wichtig, dass alle im Team wissen, wie sich Siege und Zusammengehörigkeit anfühlen. Ich möchte, dass meine Spielerinnen diese Weltmeisterschaft gewinnen, und dass jede Einzelne stolz darauf ist, zu diesem Erfolg entscheidend beigetragen zu haben."

Dabei wird die Titelverteidigung für Japan alles andere als einfach werden. Denn die Mannschaft hat bereits schmerzhaft erfahren müssen, wie sich eine Finalniederlage gegen die DVR Korea anfühlt.

"Sie haben uns beim letzten Aufeinandertreffen im Endspiel der U-16-Asienmeisterschaft geschlagen. Doch wir haben sie seit dieser Niederlage ausgiebig analysiert und sehr viel dazugelernt. Wir werden alles geben, damit wir dieses Mal als Sieger vom Platz gehen", so Kusunose. "Die Koreanerinnen sind richtig stark. Es ist nicht einfach, gegen sie zu spielen. Doch wir standen bei diesem Turnier schon vielen guten Teams gegenüber – darunter England, Spanien und die USA – und haben immer gewonnen. Ich habe meinen Spielerinnen gesagt, dass sie positiv denken sollen. Und ich spüre in ihnen die Überzeugung, dass sie am Freitag gewinnen werden."

Die große Frage bleibt, welche elf Akteurinnen Kusunose im Amman International Stadium auf den Rasen schicken wird. Wie immer sollten wir uns auch diesmal auf Überraschungen gefasst machen.