Freitag 22 Juli 2022, 14:00

In den USA stehen die Zeichen auf Revolution

  • Der Fussballverband U.S. Soccer führt einen neuen und ehrgeizigen technischen Plan ein

  • Das FIFA-Entwicklungsprogramm FORWARD ist bei der Umsetzung unverzichtbar

  • "Wir haben von Grund auf eine neue Spielweise entwickelt"

Bekanntlich verbreitete sich das COVID-19-Virus über die ganze Welt, nachdem es in Wuhan in der VR China entdeckt worden war. Um die verheerende Ausbreitung des Virus zu stoppen, wurden zahlreiche Bereiche des öffentlichen Lebens stillgelegt, so auch der Fussball. In den folgenden Wochen und Monaten musste sich die Welt an eine neue Normalität gewöhnen. Als es endlich auch im Fussball wieder losging, mussten Spiele vor leeren Rängen stattfinden, weil entsprechende Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit eingeführt wurden, um die Ausbreitung der Krankheit zu verhindern. In der Welt des Fussballs erholte sich nicht jedes Land gleich schnell. So waren beispielsweise in den USA die Nachwuchsteams volle 575 Tage lang außer Gefecht gesetzt. Um den dringend erforderlichen Neuanfang zu ermöglichen, wandte sich der US-amerikanische Fussballverband USSF für Finanzierung, Beratung und technologische Ressourcen an das FIFA-Entwicklungsprogramm FORWARD.

Der US-Fussballverband entwickelte den ehrgeizigen Plan, insgesamt 19 Trainingslager für Jungen und Mädchen in Chula Vista (Kalifornien) und Bradenton (Florida) durchzuführen, um seinen neuen technischen Plan für die Nationalteams des Landes umzusetzen und eine neue Vision für die Talentförderung einzuführen. Insgesamt nahmen 334 Spielerinnen und Spieler, 60 Trainerinnen und Trainer, 15 Sportwissenschaftler und 15 Leistungsanalysten an diesen Camps teil.

Versäumnisse nachholen

Der Lockdown im Jahr 2020 bot dem Verband USSF die Gelegenheit, die Ergebnisse der in diesem Jahr von der FIFA durchgeführten Umfrage zur fussballerischen Gesamtsituation in den Mitgliedsverbänden eingehend zu studieren. Bei der Auswertung der Antworten auf die Umfrage kamen die Leistungsexperten der FIFA zu dem Schluss, dass die Trainer der Jugend- und A-Nationalmannschaften eher zu einem individualistischen Ansatz neigen und ihren eigenen Stil und ihre eigene Vision verfolgen, anstatt enger mit ihrem Umfeld zusammenzuarbeiten. "Dank der Untersuchung der FIFA und der Zusammenarbeit mit den Experten bekamen viele von uns die Möglichkeit, zu verstehen, was andere Länder im internationalen Bereich tun und wie wir die bewährten Methoden auf die Realität unserer Mitglieder übertragen können", so Dan Russell, USSF-Leiter für sportliche Entwicklung.

The U.S. U-20 Women's National Team plays against the Costa Rican U-20 Women's National Team

Als Reaktion auf die Einschätzung der FIFA-Experten machte man sich bei der USSF an die Arbeit. "Wir haben die Spielweise und die Prinzipien, wie unsere Teams agieren sollen, von Grund auf neu entwickelt", so Tracey Kevins, Cheftrainerin des U-20-Frauen-Nationalteams der USA. "Als Trainerinnen und Trainer der Jugend-Nationalteams hatten wir großen Anteil daran." "Es dauerte 14, 15 Monate, bis wir den technischen Plan erstellt hatten", fügte sie hinzu. "Ich weiß gar nicht mehr, wie viele Zoom-Anrufe wir insgesamt hatten – wahrscheinlich an die hundert – und jetzt endlich haben wir etwas Greifbares, sozusagen ein Dokument in der Version eins. Ich bin sicher, dass wir dies noch weiter entwickeln werden." Der technische Plan des US-Verbands geht über die eigentliche Talentförderung auf dem Spielfeld hinaus und strebt einen integrierten Ansatz an, bei dem auch die mentale Einstellung der Spielerinnen und Spieler berücksichtigt wird. "Wir versuchen, darauf zu achten, wie Spielerinnen und Spieler auf dem Feld Entscheidungen treffen. Wir schauen auf das Spielverständnis", so der USSF-Leiter für technische Entwicklung, Barry Pauwels. "Natürlich achten wir auch auf die technische und physische Ausführung. Aber darüber hinaus achten wir auch darauf, dass es eine starke Siegermentalität gibt, den Willen, sich zu verbessern, und die Art und Weise, wie Spielerinnen und Spieler ihre eigene Entwicklung in die Hand nehmen. Außerdem achten wir darauf, wie sie in einem bestimmten Umfeld lernen, also auf ihre Lernfähigkeit."

Es wartet viel Arbeit

Eines der angesprochenen 19 Trainingslager fand in den vergangenen Wochen in Chula Vista statt, wo das U-20-Team zur Vorbereitung auf die FIFA U-20-Frauen-WM Costa Rica 2022 zusammenkam. "Für die FIFA ist es eine große Ehre, im Rahmen des FORWARD-Programms das Training und die Entwicklung der US-Juniorenteams 2022 zu unterstützen", so Jair Bertoni, FIFA-Direktor für die amerikanischen Mitgliedsverbände. "Wir verschaffen dem Fussball in den USA neuen Rückenwind, indem die Trainingslager wiedereröffnet werden können und wir die benötigten technischen Mittel bereitstellen, um die jungen Akteure genau zu beobachten." Er fügte hinzu: "Das bedeutet, dass wir die Entwicklung künftiger Spielergenerationen, sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen, unterstützen können, indem wir diesen talentierten Spitzenspielern die Möglichkeit geben, ihre Ausbildung in den USA optimal voranzubringen, was letztlich den Nationalteams zugutekommt. Diese Initiative ist der beste Beweis dafür, worum es bei unserem Vorzeige-Entwicklungsprogramm wirklich geht."

The U.S. U-20 Women's National Team plays against the Costa Rican U-20 Women's National Team

Die neu entwickelte Vision wurde während einer Woche mit Trainingseinheiten und Freundschaftsspielen gegen Costa Rica vorgestellt, die auch die Gelegenheit boten, einige neue Technologien zu testen, die bei der Gestaltung der vielversprechenden Fussballzukunft der USA eine große Rolle spielen werden.

"Wir wollen so viele Daten wie möglich sammeln", sagte Frank Wijbenga, USSF-Leiter für Sportanalyse. "Ein großer Teil davon sind physische Daten. Wir werden GPS-Technologie nutzen. Denn da wir nicht immer am selben Ort trainieren, können wir keine lokalen Ortungssysteme verwenden. Der Einsatz moderner Technologie ist von grundlegender Bedeutung für die Messung des Erfolgs unseres technischen Plans. Es geht nicht nur darum, das Ergebnis oder die Anzahl der Aktiven zu messen, sondern die Qualität der Leistung."

Das FIFA-Entwicklungsprogramm FORWARD gibt dem US-Nachwuchsfussball neue Impulse und setzt neue Ziele, was insbesondere bei den jungen Spielerinnen für große Begeisterung sorgt. "Der Gedanke, ausgewählt zu werden, um sein Land bei einer FIFA-Weltmeisterschaft zu vertreten, ist doch der Traum aller Sportler", so Annie Karich, Mittelfeldspielerin im U-20-Team der USA. "Das hätte ich noch vor wenigen Jahren nie für möglich gehalten. Und obwohl ich immer darauf hingearbeitet habe, hätte ich nie gedacht, dass ich tatsächlich eines Tages hier sein würde. Es ist einfach unglaublich."