Donnerstag 29 Juli 2021, 02:38

Gradel und Elfenbeinküste – Versteckspiel beendet

  • Max Gradel, Kapitän der Elfenbeinküste im Exklusivinterview

  • Das Team trifft im Viertelfinale auf Spanien

  • "Niemand hat dieses Niveau von uns erwartet"

Nach einem Sieg gegen Saudiarabien (2:1) sowie jeweils einem Remis gegen Brasilien (0:0) und Deutschland (1:1) belegte die Elfenbeinküste im Olympischen Fussballturnier der Männer den zweiten Platz in Gruppe D und steht damit im Viertelfinale, wo das Team auf Spanien trifft. "Wir sind stolz [auf unsere Leistung], denn niemand hat uns in dieser Gruppe auf einem so hohen Niveau erwartet", betont Max Gradel am Mikrofon von FIFA.com.

"Das Weiterkommen in dieser Gruppe war wirklich ein Erfolg", so der Kapitän der Elfenbeinküste. "Man darf nicht vergessen, dass Deutschland dieses Jahr die U-21-EURO gewonnen hat. Das ist eine super Mannschaft mit sehr guten Spielern. Außerdem haben wir dem Turnierfavoriten und amtierenden Olympiasieger Brasilien die Stirn geboten. Wir haben nicht damit gerechnet, in dieser Hammergruppe weiterzukommen, aber wir haben es wirklich verdient."

Mit 33 Jahren ist Gradel das älteste Mitglied der ivorischen Mannschaft, zu der er erst kurz vor Turnierbeginn stieß. "Es ist immer ein Traum und eine Ehre, mein Land zu vertreten. Daher habe ich keine Sekunde gezögert, als der Trainer mich anrief. Außerdem ist dies einer der wenigen internationalen Wettbewerbe, an denen ich noch nicht teilgenommen hatte", meint der Nationalspieler, der es auf 75 Länderspieleinsätze bringt und einen Titelgewinn beim CAF Afrikanischen Nationen-Pokal 2015 sowie eine Teilnahme an der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft 2014™ für sich verbuchen kann. 

Max – der große Bruder

Für den ehemaligen Angreifer von Leeds United und Saint-Etienne bietet dieses Turnier Gelegenheit, die neue Generation des ivorischen Fussballs kennenzulernen. Die Qualifikation für Tokio 2020 war an sich schon ein großer Erfolg, da das Land zuvor nur ein einziges Mal dabei gewesen war, nämlich 2008 in Peking. "Das sind junge Spieler, die arbeiten und sich weiterentwickeln wollen. Sie sind bereit zuzuhören und sehr bescheiden. Das macht mir die Aufgabe als Kapitän und Führungsspieler viel leichter. Mir macht es Spaß, mit ihnen zu spielen und meine Erfahrungen mit diesem Team zu teilen", meint Gradel lächelnd. 

"Er hat viel mehr Ruhe ins Team gebracht", unterstreicht Trainer Soualiho Haidara. "Dank der Führungsrolle, die er im Team spielt, konnten wir eine Reihe von Problemen lösen. Gleich nach seiner Ankunft hat er gemeinsam mit seinen 'kleinen Brüdern' eine interne Organisation aufgebaut. Er hat einen Verhaltenskodex mit Geldstrafen eingeführt. Mit Eric Bailly, Franck Kessié und ihm haben wir jetzt in jedem Mannschaftsteil einen Führungsspieler. Das macht die Sache auf dem Spielfeld leichter. Wenn man sieht, wie Max sich ins Zeug legt, hat man den Eindruck, er sei erst 25", so der Stratege.

Goldene Generation?

Gradel, der schon mit Spielern wie Didier Drogba, Yaya Touré und Salomon Kalou auf Tuchfühlung gegangen ist, weiß, dass das 'goldene Zeitalter' der Séléphanto noch in weiter Ferne liegt. "Da gibt es große Unterschiede. Wir sprechen hier von einer Generation mit wahren Überfliegern. Das waren Legenden! Es ist auf jeden Fall noch zu früh, diese Gruppe mit der 'goldenen Generation' der Elfenbeinküste zu vergleichen, die ich zu ihrer besten Zeit kannte. Hier lerne ich gerade ein Team kennen, das noch ganz am Anfang steht, deshalb hinkt der Vergleich. Fest steht, dass wir noch nicht wieder an einem Punkt angelangt sind, an dem so viele Spieler gleichzeitig auf höchstem Niveau spielen." 

2008 in Peking war für die Ivorer im Viertelfinale Schluss. Allerdings kann das Team sich von anderen afrikanischen Mannschaften inspirieren lassen. 1996 und 2000 sorgten nämlich Nigeria bzw. Kamerun für eine Überraschung, als sie die beiden ersten und bislang einzigen Goldmedaillen für den Mutterkontinent im Fussball holten. "Wir hoffen natürlich auf einen solchen Erfolg, aber wir versuchen, in aller Bescheidenheit weiterzuarbeiten und zu kämpfen. Wir werden sehen, was die Zukunft bringt. Vorerst blicken wir aber nicht weiter als bis zum nächsten Spiel. Dann wird sich zeigen, was passiert", so Gradel. 

Den Gegner überlisten

Wenn es stimmt, dass große Spiele große Spieler hervorbringen, dann haben die Schützlinge von Haidara im Viertelfinale erneut Gelegenheit, ihr Können unter Beweis zu stellen. Die Partie dürfte ein echter Härtetest werden. "Die Situation wird immer interessanter, und wir stehen jetzt stärker unter Druck", erklärt der Trainer im Gespräch mit FIFA.com. "Wenn man eine so gute Mannschaft wie Deutschland aus dem Rennen wirft und dann gleich auf Spanien trifft, hat man kaum Zeit, den Erfolg zu genießen." 

In der Vorbereitung auf das Spiel gegen La Roja konzentriert sich der Trainer vor allem auf die Regeneration seines Teams, das in den ersten beiden Spielen unter den Folgen des Jetlags litt. 

"Wir müssen einfach hoffen, dass unsere Spieler einen guten Tag erwischen. Das ist alles. Wenn wir an unsere Leistungen von gestern anknüpfen, dann können wir glaube ich jedem Gegner die Stirn bieten." "Wir haben vor Turnierbeginn kein einziges Freundschaftsspiel bestritten. Das hat uns die Vorbereitung erschwert, gleichzeitig hat es aber auch unsere Gegner in Schwierigkeiten gebracht, weil sie sich keine Aufzeichnungen von uns anschauen konnten, während wir Videos von ihnen hatten", meint Haidara, dem bewusst ist, dass das Überraschungsmoment gegen die Spanier wegfallen wird. Sie sind gewarnt und wissen, dass sie ihr Bestes geben müssen, um sich gegen die Ivorer durchzusetzen, die sich nun nicht mehr verstecken können.