Montag 25 Januar 2016, 09:18

Eine historische Serviette

"Als ich ihn am Flughafen sah, dachte ich mir … 'Dieser Bursche kann doch nicht Fussball spielen, so schmächtig wie der ist' … Ich glaubte, dass man mich hereingelegt hatte". Sobald der Kleine jedoch den Ball berührte, waren alle Zweifel verflogen. Heute stehen bei dem 'Kleinen' zu Hause fünf Ballons d'Or. Und derjenige, der uns die Geschichte erzählt, hat eine ganz besondere Serviette bei sich zu Hause. Es ist eine überaus wertvolle Serviette, die die jüngere Geschichte des FC Barcelona maßgeblich mitbestimmt hat.

Horacio Gaggioli arbeitete bereits viele Jahre als Spieleragent in Spanien, als ihm seine Partner in Argentinien von einem Elfjährigen in Rosario erzählten. Ihm war das damals noch zu früh. Aber zwei Jahre später begann man dann, seine Reise nach Europa vorzubereiten. "Die Familie wünschte, dass er es einmal bei einem europäischen Verein versuchen sollte, und zwar in der Stadt, in der ich lebte, um nach der Ankunft eine erste Anlaufstelle zu haben. Damals stand ich kurz davor, zu einem Unternehmen in Madrid zu wechseln. Ich bat sie also, noch ein wenig zu warten, bis meine Zukunft geklärt war, um zu sehen, wo wir das Probetraining machen sollten. Wenn ich in die spanische Hauptstadt gegangen wäre, hätten wir uns wohl an Real Madrid oder Atlético gewandt", erzählt er FIFA.com.

Horacio ging jedoch schließlich nicht nach Madrid und im September trainierte Lionel Messi zwei Wochen beim FC Barcelona. "Nach dem Probetraining kehrten sie nach Argentinien zurück und ich führte dann mehrere Gespräche mit dem Verein. Er hatte zwar einen guten Eindruck hinterlassen, aber nicht alle Trainer waren von ihm überzeugt. Die Zeit verging und im Dezember setzten sich die Eltern mit mir in Verbindung. Sie wollten nun endgültig wissen, ob Barcelona interessiert war oder nicht, da sie sich ansonsten nach Alternativen umsehen würden."

Diese Art von Ultimatum zeigte Wirkung. Charlie Rexach, damals technischer Sekretär des Vereins, hatten bereits zehn Minuten genügt, um sich zu entscheiden. Und das obwohl Messis vorzeitige Auswechslung in einer Trainingspartie des Nachwuchses sowohl die Familie als auch die Vereinsvertreter etwas beunruhigt hatte.

Bei einem Treffen zwischen den drei Parteien nahm Rexach, der nichts anderes zur Hand hatte, eine Serviette und schrieb darauf: Barcelona, 14. Dezember 2000. Im Beisein der Herren Minguella und Horacio (Gaggioli) verpflichtet sich Carles Rexach, Technischer Sekretär des FC Barcelona, eigenverantwortlich und trotz einiger anders lautender Meinungen, den Spieler Lionel Messi unter Vertrag zu nehmen, wenn die vereinbarten Beträge beachtet werden.

Es gab in der Tat Widerstand. Und zwar seitens derjenigen, die der Ansicht waren, dass der Verein drängende Probleme hatte, die ein Jugendlicher nicht würde lösen können und die hinter der gebrechlichen Figur des Burschen keine vielversprechende Zukunft sahen.

"Auch ich hatte mich bei meinem ersten Eindruck getäuscht. Leo war wirklich klein, sehr schmal und hatte Probleme. Barça hatte Zweifel, denn man wusste nicht, was noch alles geschehen würde. Der Fussball ist sehr komplex und es ist sehr schwer, bei einem so jungen Spieler eine Prognose abzugeben", sagt der Fachmann, der schon erlebt hat, wie Burschen mit enormem Talent sich nicht durchsetzen konnten.

"Natürlich kann man bei einem 15-jährigen erkennen, dass ihm fussballerisch eine große Zukunft bevorsteht, aber man kann sich nie zu 100 Prozent sicher sein. Es gibt so viele Dinge, die die sportliche Weiterentwicklung beeinflussen, da kann sich über Nacht vieles ändern. Es gibt Spieler mit unglaublichen Anlagen, aus denen nichts wird, weil sie anfangen auszugehen, zu tanzen … Es gibt so viele Dinge, die nicht förderlich für eine Karriere im Fussball sind", erzählt er.

"Diejenigen, die es schaffen, nehmen große Opfer auf sich und das gilt auch für ihre Familien. Auch Messi war ein äußerst disziplinierter Junge, der Alles gegeben hat. Sein Ding war Fussball, Fussball und nichts als Fussball. Und deswegen hat er es nach ganz oben geschafft."

Nach dem seltsamen Vorvertrag vergingen weitere zwei Monate, bis Messi in Barcelonas Jugendakademie La Masía wechselte. Aber auch da gab es weiterhin Probleme, denn sein offizieller Transfer verzögerte sich, und so konnte der Spieler aus Rosario sechs Monate lang nicht eingesetzt werden. "Es war eine schlimme Leidenszeit für ihn, denn er durfte nur trainieren und ab und zu ein Freundschaftsspiel bestreiten. Es war sehr hart. Aber Leo war eben auf Fussball fokussiert und schaffte es irgendwie", fährt Gaggioli fort, der noch weitere fünf Jahre mit Messi arbeiten sollte.

Barça hatte genau das Quäntchen Glück, das man braucht, um den großen Wurf zu landen. "Andererseits sage ich auch immer, dass Leo das Glück hatte, in einer großartigen Fussballschule zu landen. Das war für seine persönliche Entwicklung und die als Profi überaus wichtig", erzählt der Agent.

"Messi war immer sehr schüchtern, aber er hatte das Glück, in eine Gruppe mit überaus netten Burschen zu geraten. Gerard Piqué, Cesc Fábregas, Toni Calvo, Marc Valiente… es waren außerordentliche Jungs, die sich mit ihm zusammentaten. Sie machten Späße mit ihm, denn er war sehr introvertiert, aber sie haben sich auch um ihn gekümmert. Er spricht mit dem Ball am Fuß und das war genug."

Gaggioli erhält noch heute Hunderte Briefe und E-Mails von Menschen, die versichern, ihm den 'nächsten Messi' zu bringen. "Man kann sich nicht vorstellen, wie viele es sind", sagt er. "Ich möchte natürlich niemandem absagen, denn man kann ja nie wissen, aber ich verlange Beweise … und bislang habe ich noch nichts Vergleichbares gesehen."