Freitag 01 November 2019, 05:43

Ehemaliger "Bleuet" sieht Chance für Haiti

  • Hervé Bazile spielt auf dem Flügel der haitianischen A-Nationalmannschaft

  • Als Jugendlicher ist er bei der FIFA U-17-WM für Frankreich aufgelaufen

  • Auf FIFA.com analysiert er das Samstagsspiel zwischen den beiden Ländern

Die Unterschiede zwischen Frankreich und Haiti, die am Samstag in Goiânia aufeinandertreffen, könnten kaum größer sein – zumindest auf dem Papier. Die Franzosen rangieren bei der FIFA U-17-Weltmeisterschaft Brasilien 2019™ nach zwei Siegen in zwei Spielen an der Tabellenspitze von Gruppe C und sind bereits für das Achtelfinale qualifiziert. Haiti bildet hingegen nach zwei Niederlagen das Schlusslicht der Gruppe und braucht schon ein kleines Wunder, um die K.-o.-Runde noch zu erreichen.

Doch bei diesem Spiel geht es um mehr als Fussball. Die Karibikinsel ist eine ehemalige französische Kolonie, die nach einer Sklavenrevolte Unabhängigkeit erlangte und noch immer enge Bande zum Mutterland unterhält. Die Verbindungen zwischen den beiden Ländern machen auch vor der FIFA U-17-WM nicht halt, denn bei der Auflage von 2007 in der Republik Korea holten die Insulaner gegen Frankreich ihren bislang einzigen Punkt in diesem Turnier.

"Ich kann mich noch sehr gut an das Turnier und das Spiel erinnern", meint Hervé Bazile, der mittlerweile auf dem Flügel der haitianischen A-Nationalmannschaft aufläuft, damals aber dem französischen Team angehörte. "Allerdings ist mir erst jetzt bewusst geworden, wie wichtig diese Partie für Haiti war."

"Ich persönlich trat praktisch gegen meine eigenen Wurzeln an, gegen das Land meiner Vorfahren. Das war eine ziemlich große Sache für mich, etwas ganz Besonderes", fügt er hinzu. "Ich weiß noch, dass es ein super Spiel war, sehr hart umkämpft. Ich habe die Fortschritte Haitis im Turnierverlauf genau verfolgt, die Entwicklung des Teams und die Werte, die es vertrat. Es war ein Team von Kämpfern, und das hat mich überzeugt."

Schon gewusst?

Fredler Bijou Christophe, Haitis Mannschaftskapitän bei der U-17-WM 2019 in Brasilien, bezeichnet Hervé Bazile als seinen Lieblingsspieler bei den Grenadiers.

Haiti vertritt auch weiterhin dieselben Werte. Die Grenadiers präsentieren sich entschlossen, kampfstark und offensiv und haben in den beiden ersten Spielen wirklich alles gegeben. Belohnt wurden sie dafür bislang nicht. Wenn sie eine Chance auf den Einzug in die nächste Runde haben wollen, müssen sie daher gegen Frankreich für eine faustdicke Überraschung sorgen.

"Ein Sieg gegen Frankreich? Also ich würde das nicht unbedingt als 'Riesenüberraschung' sehen. Der haitianische Fussball hat sich in den letzten Jahren enorm entwickelt", so Bazile. "Das Team steht nicht unter Druck und muss einfach alles geben. Es wäre schön, wenn ein positives Ergebnis dabei herauskommen würde, wenn nicht drei Punkte, dann wenigstens einer. Die Menschen in Haiti würden sich unglaublich freuen und es wäre eine gerechte Belohnung für all die harte Arbeit, die hier geleistet wurde."

Dabei ging es nicht nur darum, die Leistung der U-17-Auswahl zu verbessern. Die Männer- und Frauenteams des Landes haben in allen Altersklassen große Fortschritte zu verzeichnen, wie die jüngsten Ergebnisse zeigen. Haiti hat sich nicht nur für Brasilien 2019 qualifiziert, sondern darüber hinaus auch für die FIFA U-20-Frauen-Weltmeisterschaft Frankreich 2018™. Außerdem haben Bazile und seine Teamkameraden dieses Jahr entgegen aller Prognosen das Halbfinale des CONCACAF Gold Cup erreicht.

Die Lücke schließt sich

"Das Land und der nationale Fussballverband haben große Anstrengungen unternommen, um den Fussball auf allen Ebenen zu fördern: Vereine, Nationalteams, Infrastruktur, Training und so weiter", meint der Akteur von AC Le Havre. "Der Fussball spielt mittlerweile eine sehr große Rolle im Land. Man spürt die Veränderung und dass wir im Aufwind sind. Ich habe wirklich das Gefühl, dass wir dabei sind, die Lücke zu den großen Fussballnationen zu schließen."

Frankreich, der amtierende Weltmeister der A-Nationalmannschaften, zählt zweifellos zu diesen großen Fussballmächten. Am Samstag haben die Haitianer nun Gelegenheit zu prüfen, wie weit sie in diesem Prozess schon gekommen sind. "Das stimmt. Einmal abgesehen von der Geschichte, die unsere beiden Länder verbindet, ist es immer etwas ganz Besonderes für die ganze Nation, gegen Frankreich anzutreten", so Bazile. "Die Franzosen sind eine Fussballmacht, und dieses Spiel ist eine tolle Sache, weil du gegen ein solches Team wirklich alles geben willst. Ich bin schon sehr gespannt auf das Ergebnis."

Nach seiner Prognose befragt, hält der haitianische Flügelspieler sich jedoch bedeckt: "Nein, tut mir leid. Ich werde keine Prognose riskieren. Möge die beste Mannschaft gewinnen."