Sonntag 02 Oktober 2016, 11:13

Cazorla: Eine Straßenfussballerin bahnt sich den Weg nach oben

Mit gerade einmal neun Jahren spielte sie bereits gegen wesentlich Ältere und hatte keine Scheu, ihnen ihr ganzes Repertoire an Tricks zu zeigen. Das hat sich bis heute nicht geändert. "Manchmal tunnel' ich sie … und dann werden sie böse", erzählt María Cazorla FIFA.com lachend. Mittlerweile ist sie 14 Jahre alt und spielt immer noch gegen ältere Mädchen, gegen erwachsene Männer und auch gegen ihre Freunde im Armenviertel Puerto Cabella im Norden Venezuelas. In ihrem ersten offiziellen Länderspiel für die U-17-Auswahl Venezuelas gelang ihr nun sogar ein Tor gegen Deutschland.

Obwohl das Debüt der Auswahl von Kenneth Zseremeta bei der FIFA U-17-Frauen-Weltmeisterschaft Jordanien 2016 mit der 1:2-Niederlage gegen die Deutschen nicht nach Plan verlief, war es nicht schwer, ihr ein Lächeln zu entlocken. Erst recht nicht, wenn man sie daran erinnert, wie sehr sich ihr Leben im letzten Jahr verändert hat. Nachdem man sie bei einem Spiel ihres Vereins beobachtet hatte, erhielt sie die Einladung zur U-15-Auswahl. Dann erfuhr jedoch Zseremeta von ihr. "Er hat mich spielen sehen und gesagt 'Versuchen wir es doch einmal'. Dann habe ich gegen die U-20-Auswahl unseres Landes gespielt und von da an war ich dabei."

Die auf den ersten Blick kleine und etwas schüchterne Person eroberte auf dem Platz mit ihrer Forschheit rasch einen Stammplatz, obwohl sie in letzter Minute ins Team gekommen war. Erst seit einem Monat spielt María in der U-17-Auswahl Venezuelas. "Ich bin seit Ende August dabei. Ich verstehe mich mit allen gut, sie zeigen mir viele Dinge und unterstützen mich. Sie sagen mir auch, dass ich mich gut benehmen soll." Dabei lächelt sie.

Gegen Deutschland konnte María nicht ihr ganzes Repertoire zeigen, doch die Eleganz, mit der sie sich ihrer Gegenspielerin entledigte, um ihr Tor zu erzielen, zeigte, dass sie vom Straßenfussball kommt. Sie nutzt nach wie vor noch jede Gelegenheit, um dort zu spielen. "Ich bin das einzige Mädchen, das auf der Straße Fussball spielt, den anderen gefällt das nicht", erzählt sie. In der Tat hat sie der Fussball auch von einigen ihrer Freundinnen entfremdet. "Sie haben mich gefragt, warum ich mit Männern spiele, dass der Fussball nichts für Frauen sei. Ich habe ihnen nur gesagt: 'Mir gefällt es. Das ist mein Spiel'."

Und sie hat neue Freunde gewonnen. "Mike, Lorenzo, Eddie, José… ich habe eine ganze Menge. Meine Tricks habe ich gelernt, als ich mit ihnen spielte. Sie sind wie meine Familie". Ihr Lächeln wird breiter. Sie weiß, dass ihre Freunde das Spiel im Fernsehen verfolgt haben, ebenso wie ihre Großeltern und ihr Onkel, die sie nach dem Tod ihrer Eltern versorgen … Sie begeistern sich jetzt sogar für den Fussball, obwohl "sie eigentlich gar keine Anhänger dieser Sportart waren."

Wenn sie zu Hause ist, geht sie morgens zur Schule und nachmittags wird trainiert und Fussball gespielt. Ihr Ziel ist ganz klar: "Wenn ich einmal groß bin, möchte ich bei einem Verein im Ausland spielen, um mich dort weiter zu entwickeln und meine Großeltern zu unterstützen. Ich habe ihnen gesagt, dass ich ihnen helfen werde."

Im Augenblick hofft María, mit ihren Mitspielerinnen das WM-Turnier genießen zu können und möglichst weit zu kommen. Nach der Niederlage gegen Deutschland ist ein Dreier gegen Kamerun, das andere bislang punktlose Team in Gruppe B, Pflicht. Dennoch ist sie voller Selbstvertrauen. "Kamerun schätzen wir nicht so stark ein. Wir wissen, dass wir gewinnen können". Gegen die Afrikanerinnen möchte María unbedingt ihr ganzes Können zeigen. Sie wird unermüdlich arbeiten, aus allen Lagen schießen und alles daran setzen, ihre Gegenspielerinnen zur Verzweiflung zu bringen. Es ist ganz einfach, denn eigentlich muss sie sich dabei nur vorstellen, dass sie auf der Straße mit ihren Freunden spielt…