Sonntag 26 Juni 2016, 11:01

Belauste und der Ruf, der ein ganzes Land inspirierte

Es gibt Spieler, die nicht viele Partien, Tore oder Titel benötigen, um in die Fussballgeschichte einzugehen. Manchmal reicht ein einziger Augenblick, eine simple Geste - oder ein Zuruf!

"Den Ball zu mir, Sabino, ich mach‘ sie platt!" Ob dies seine exakten Worte waren, ist nicht gesichert, denn es gibt verschiedene Versionen. Sicher ist aber, dass Sabino Bilbao seinem Kapitän gehorchte. Er schlug einen hohen Ball in Richtung Tor, und José Maria Belausteguigoitia Laudalace, genannt Belauste, fuhr mit seinen 1,93 Metern und über 90 Kilo Körpergewicht "wie ein Sturmwind zwischen seine Gegner". So beschrieb es der Journalist Manuel de Castro, der als einziger spanischer Medienvertreter an jenem Abend des Jahres 1920 im Olympiastadion von Antwerpen anwesend war, wo er auch als Linienrichter fungierte.

Belauste stürmte mit einer Wucht durch die schwedische Abwehr zum Kopfball, dass das Leder mitsamt Torhüter, drei schwedischen Verteidigern und ihm selbst im Netz landeten. Es war der Ausgleich in einer Partie, die Spanien am Ende dank eines Treffers durch Gómez Acedo 2:1 gewinnen sollte. In der Folge holte das Nationalteam bei seinem internationalen Debüt bei den Olympischen Spielen von Antwerpen die Silbermedaille.

Das Duell gegen Schweden am 1. September 1920 war somit erst das dritte offizielle Pflichtspiel in der Geschichte der spanischen Nationalelf, die erst vier Tage zuvor gegen Dänemark ihr Debüt gegeben hatte, in dem sie ebenfalls von dem baskischen Mittelfeldspieler als Kapitän angeführt wurde.

Der Ursprung der "Furia española" Belauste wurde also die Ehre zuteil, die spanische Nationalmannschaft als erster Spielführer ihrer Geschichte auf den Platz zu führen. Ein Kapitän indes, der dieses Amt nur drei Mal bekleidete. Aus dem einfachen Grund, dass er lediglich drei Länderspiele bestritt. In jenen Zeiten war der Fussball eine Amateur-Sportart, die auf matschigen Feldern ausgetragen wurde und in der es recht rustikal zur Sache ging. Am Ende einer Partie sahen die Spieler nicht selten so aus, als kämen sie eher von einer Feldschlacht als von einem 90-minütigen Spiel. Das Olympische Turnier von Antwerpen war keine Ausnahme von dieser Regel. Erschwerend kam hinzu, dass Spanien seine fünf Spiele innerhalb von knapp einer Woche bestreiten musste.

Obwohl Belauste also eher die Statur eines Ringkämpfers oder Rugby-Spielers hatte und den Körperkontakt nicht scheute, kam es mehr als einmal vor, dass er aufgrund der vielen Tritte, die er abbekam, in der darauffolgende Partie aussetzen musste.

Und es ist sehr wahrscheinlich, dass der Kapitän in der Partie ausfiel, die nach dem oben gezeigten Foto stattfand. Aus diesem Grund wohl hatte Belauste das um den Kopf geknotete Tuch, wie es auf dem Bild auch der legendäre Torjäger Pichichi trägt, sein Teamkamerad bei Athletic Bilbao, durch einen auffälligen Hut ersetzt.

Kulturelles und politisches Engagement Drei Spiele reichten dem baskischen Hünen, um in die Geschichte des spanischen Fussballs einzugehen. In erster Linie wegen seines Zurufs. Aber auch, weil dieser Ruf und die folgende Aktion den Anlass für den berühmten Spitznamen "La Furia Roja" (die spanische Furie) gaben, unter dem die spanische Nationalmannschaft jahrzehntelang bekannt war. Die machtvolle Demonstration seiner Körperkraft gegen die Schweden inspirierte die belgische Presse zu dieser Bezeichnung, mit der sie auf eine historische Begebenheit anspielte. Denn mit diesem Begriff wird die Plünderung Antwerpens im 17. Jahrhundert durch spanische Truppen bezeichnet, als diese durch Flandern zogen und alles zerstörten, was ihnen in den Weg kam.

Doch der Schein trügt. Belauste war trotz seines rauen Äußeren ein kultivierter Mann. Er wuchs als jüngstes Kind von neun Geschwistern inmitten einer wohlhabenden Großfamilie auf und war ein studierter Jurist. Diesem Beruf widmete er sich nach der Beendigung seiner Karriere bei Athletic 1925. Er heiratete Dolores Zuloaga, die Nichte des berühmten baskischen Malers Ignacio Zuloaga.

Belauste interessierte sich sehr für Kunst und Kultur und engagierte sich aktiv in der Politik. Obwohl er mit der Inbrunst eines Kriegers die Farben der spanischen Nationalelf verteidigt hatte, zwangen ihn seine Überzeugungen und sein Eintreten für den baskischen Nationalismus nach dem spanischen Bürgerkrieg ins Exil. Der erste Kapitän von La Roja starb im Alter von 75 Jahren in Mexiko an Krebs.

96 Jahre später spielt Spanien weniger "furienhaft" und ist eher für sein virtuoses Kurzpassspiel bekannt. Jene olympische Silbermedaille beim internationalen Debüt und der Schrei, mit dem alles begann, bleiben aber für immer in Erinnerung.