Samstag 21 Oktober 2017, 10:12

Als Neymar zu Neymar wurde

  • "La Paradinha!"

  • Duell gegen Torwart-Ikone wird legendär

  • "Es war ein besonderer Moment"

In der Karriere eines Stars gibt es immer einen Wendepunkt, diese eine Begebenheit, die alle Blicke auf sich zieht und aus der Zukunftshoffnung einen Spieler macht, der wahrhaftig zu Großem berufen ist. Diesen Moment gab es auch für Neymar. Beim Klassiker des Torneo Paulista versetzte er im Duell gegen einen legendären Torhüter nur zwei Tage nach seinem 18. Geburtstag den brasilianischen Fussball in Aufruhr.

Im Vorfeld der Gala The Best FIFA Football Awards™, bei der sich entscheidet, ob der Brasilianer als FIFA-Weltfussballer 2017 ausgezeichnet wird, erinnert FIFA.com an jene Episode, in dessen Folge einer der größten Stars der Gegenwart entstehen sollte.

Hintergrund Spiel: Santos - São Paulo 2:1 Stadion: Arena Barueri, São Paulo Datum: 07.02.2010 Liga: Campeonato Paulista

Der Fakt In der 38. Minute der ersten Halbzeit entschied der Schiedsrichter beim Stande von 0:0 auf Strafstoß für Santos. Neymar, bis zu diesem Zeitpunkt mit sechs Treffern erfolgreichster Torjäger der Saison, legte sich den Ball zurecht. Im Tor stand ihm eine Legende gegenüber: Rogério Ceni, El M1TO, mit der Erfahrung von 37 Lebensjahren und 25 nationalen und internationalen Titeln.

Neymar lief an und stoppte kurz vor dem Schuss abrupt ab. "La Paradinha!", rief der TV-Kommentator von Rede Bandeirantes aus, als Ceni bereits nach rechts hechtete (als "Paradinha", kleiner Halt, wird in Brasilien eine verzögerte Elfmeterausführung bezeichnet). Ceni war getäuscht und Neymar musste nur noch in die andere Ecke einschieben. Im Anschluss lief er an die Eckfahne und gab mit seinen Teamkameraden ein Tänzchen zum Besten.

Reaktionen Rogério Ceni war natürlich nicht amüsiert. "Ich habe mit ihm gesprochen, weil man solche Dinge nur in Brasilien machen kann. Er wird später nach Europa wechseln. Das war keine Paradinha, sondern ein* *voller Halt", beschwerte er sich noch in der Halbzeit jener Partie im TV-Interview.

Kakà, eine Ikone von São Paulo, twitterte erbost aus Madrid: "La Paradinha ist ein Vorteil für den Schützen. Und was ist der Vorteil für den Torwart?"

Für das restliche Brasilien war es ein Schock. Ein Jugendlicher, der kaum ein Jahr in der ersten Liga war und gerade als Zukunftshoffnung abzuheben begann, verfügte über den Charakter, einer Legende auf diese Weise entgegenzutreten. In diesem Moment begann das Neymar-Fieber.

Kurze Zeit später brachte Santos Miniaturen von Neymar, Paulo Henrique Ganso und Robinho in den Verkauf. Sie wurden in einem Einkaufszentrum von São Paulo präsentiert. Für diese Art Veranstaltung wurden nicht mehr als 500 Personen erwartet. Es kamen 5.000. Die Aufregung rund um Neymar war enorm.

Im Mai 2010 entschied das IFAB, die Paradinha zu verbieten, den Schützen mit der gelben Karte zu sanktionieren und das Tor zu annullieren.

Erinnerungen Edu Dracena spielt heute bei Palmeiras, war aber an jenem Abend der Kapitän von Santos.

"Er hat mich ab dem Moment, als ich ihn kennenlernte, sehr beeindruckt", sagt er zu FIFA.com. "Er war voller Energie, Freude und Charisma. Ein einmaliges Talent. Uns wurde klar, wie weit er es bringen könnte, und diese Tore lenkten die ganze Aufmerksamkeit auf ihn."

Dabei verblüffte er mit der Ausführung dieses Strafstoßes sogar seine eigenen Teamkameraden. "Wir sahen ihn das im Training üben, aber wir hätten nicht gedacht, dass er es gegen einen so erfahrenen Torwart wie Rogério versuchen würde. Aber er überraschte uns erneut. Es war ein besonderer Moment, weil er schon in die Ecke sprang, bevor Neymar den Ball überhaupt berührt hatte."

The Best? Mit Blick auf die Zeremonie im London Palladium äußerte sich Dracena über die letzte Spielzeit des brasilianischen Stars, die ihm die Auszeichnung als The Best - FIFA-Weltfussballer einbringen könnte.

"Eine sehr gute Saison. Er ließ die Rolle des Helfers hinter sich und avancierte zu einem Hauptdarsteller. Er bewies das in vielen Spielen, zum Beispiel in dem gegen PSG ."

Wird er den Preis gewinnen? "Er ist auf dem gleichen Niveau wie die Besten, aber ich glaube, dass er den Gipfel im nächsten Jahr erreichen wird. Vor allem, wenn Brasilien die WM gewinnt."

Dracena weiß genau, was es bedeutet, die Kapitänsbinde zu tragen, und sieht Neymar als große Führungspersönlichkeit an, die sein Land zum sechsten WM-Titel führen kann. Mit oder ohne Binde am Arm.

"Tite macht das richtig, dass er in jedem Spiel einen anderen Kapitän ernennt und allen eine Chance gibt. Man wächst wie von selbst in eine Führungsrolle hinein, das hängt nicht davon ab, immer der Kapitän zu sein. Und Neymar ist technisch ein Anführer und wird von allen Teamkameraden sehr respektiert. Er gilt als guter Freund."

Von jenem Jugendlichen im Jahr 2010 blieben die Chuzpe und die Liebe zum Spiel. Für Dracena ist Neymar heute "ein reiferer Fussballer, der sich seiner Bedeutung stärker bewusst ist, nicht nur als Athlet, sondern auch als Führungsfigur und Vorbild."