Freitag 11 Oktober 2019, 15:17

Als Deutschland in Saarbrücken zum Auswärtsspiel musste

Die deutsche Nationalmannschaft bestritt insgesamt drei Länderspiele in Saarbrücken – doch das erste davon am 28. März 1954 war ein besonderes. Es handelte sich nämlich um ein Auswärtsspiel in der Qualifikation zur FIFA Fussball-Weltmeisterschaft im selben Jahr in der Schweiz.

In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg genoss das Saarland einen politischen Sonderstatus, was zu der historischen Besonderheit führte, dass der Saarländische Fussballbund von 1950 bis 1956 der FIFA angehörte (das sogar noch vor dem Deutschen Fussball-Bund) und somit auch zur Teilnahme an der WM-Qualifikation berechtigt war.

Schon gewusst?

  • 1952 nahm das Saarland mit 36 Sportlern als eigene Nation an den Olympischen Spielen in Helsinki teil (allerdings nicht mit einer Fussballmannschaft)

Peter Momber (li.), Fritz Walter (re.) / Beide Mannschaften vor dem Spiel 1954 / Deutschland - Saarland 3:0 in Stuttgart

Die Auslosung bescherte dem Saarland neben Norwegen ausgerechnet die Bundesrepublik Deutschland. Los ging es mit einem überzeugenden 3:2 in Oslo gegen Norwegen, ehe man zuerst in Stuttgart gegen die DFB-Auswahl antrat und dort trotz einer 0:3-Niederlage überzeugen konnte.

"Durch unsere Spielweise, die ja gefällig war – ich würde sogar behaupten, wir haben schöner gespielt als die deutsche Nationalmannschaft – haben die Zuschauer uns teilweise sogar applaudiert", sagte der saarländische Nationalspieler Kurt Clemens, an dem Deutschlands Weltmeister-Trainer Sepp Herberger auch Gefallen gefunden hatte und der vielleicht in Bern 1954 ebenfalls hätte Weltmeister werden können, wäre die Geschichte ein wenig anders verlaufen. "Den Clemens, den müssen die Saarländer uns pumpen", hatte Herberger gesagt.

Vor dem Rückspiel brauchte der spätere Weltmeister aus Deutschland einen Sieg, um das Ticket in die Schweiz zu lösen – bei einem Sieg der Saarländer hätte es ein Entscheidungsspiel gegeben. Vor 53.000 Zuschauern in Saarbrücken setzte sich die Herberger-Elf mit 3:1 durch.

"Ich weiß noch heute, dass ich sowohl nach dem 0:3 im Hinspiel wie auch nach dem Rückspiel in Saarbrücken nicht richtig unglücklich war. Ich war der Erste, der nach dem Spiel bei Sepp Herberger, Fritz Walter und den anderen in der Kabine war, um ihnen zu gratulieren", so Clemens weiter. "Ich fühlte mich eben doch als Deutscher und wollte Herberger und der Elf, in der ich als kleiner Bub immer spielen wollte, nicht den Weg in die Schweiz verbauen. Und ich denke, da spreche ich auch im Namen meiner Mitspieler. Wir Saarländer hätten bei der WM auch keine Chance gehabt."

Viele Spieler der Saar-Nationalmannschaft weilten beim WM-Endspiel 1954 auf DFB-Einladung auf der Tribüne und gehörten nach dem Triumph erneut zu den ersten Gratulanten.

Waldemar Phillippi (S), Hans Schäfer (D), Peter Momber (S), Nikolaus Biewer (S) / Saarland - Deutschland 1:3 in Saarbrücken

Bilanz Nationalmannschaft Saarland

Spiele: 19

Siege: 6

Unentschieden: 3

Niederlagen: 10

Neben der WM-Qualifikation 1954 waren vor allem die zwei Testspiele gegen die Niederlande Höhepunkte in der Länderspielgeschichte des Saarlands. Im November 1955 unterlag man in Saarbrücken knapp mit 1:2, ehe das letzte Spiel in der Geschichte der Saar-Nationalmannschaft im Juni 1956 vor rund 65.000 Zuschauern in Amsterdam mit einer 2:3-Niederlage endete.

Im Jahr darauf schloss sich das Saarland der Bundesrepublik Deutschland an und der umbenannte Saarländische Fussballverband trat dem DFB bei.

Helmut SCHÖN / Saarland - Deutschland 1:3 in Saarbrücken

Übungsterrain für einen Weltmeistertrainer

1952 wurde Helmut Schön der zweite und letzte Nationaltrainer des Saarlandes. Er sollte später bekanntermaßen ein sehr erfolgreiches Kapitel des deutschen Fussballs schreiben.

"Das Saarland bot mir ein klassisches Modell dafür, was man als Bundestrainer alles machen muss und kann", sagte Schön später einmal. "Ich besuchte die Vereine, beobachtete die Spitzenspieler, stellte Auswahlmannschaften auf. Auch die Jugend gehörte dazu".

Als die Saar-Nationalmannschaft dann Geschichte war, war Schön zuerst Co-Trainer von Herberger bei der westdeutschen Nationalmannschaft, ehe er 1964 dessen Nachfolger wurde und durch den Gewinn der FIFA Fussball-WM 1974 sowie der EM 1972 zum erfolgreichsten deutschen Nationaltrainer avancierte. Insofern spielte die Saar-Nationalmannschaft auf dem Weg zu den ersten beiden deutschen WM-Titeln eine bedeutende Rolle.

Fussball Weltmeisterschaft 1974 Finale Deutschland - Holland 07.07.1974 Deutschland ist Weltmeister; Franz BECKENBAUER (re) und Bundestrainer Helmut Schön (Mitte li) mit dem WM Pokal