Donnerstag 28 Januar 2021, 08:08

Agathe: Réunion spezialisiert sich auf Spieler mit Flair

  • Die Insel im Indischen Ozean hat bereits zahlreiche versierte Offensivkräfte hervorgebracht

  • Réunion gehört zu Frankreich und ist somit ein Außenposten der EU

  • Celtic-Legende Didier Agathe über Réunion und die Fussballer von dort

Auf die Frage, was Dimitri Payet und Laurent Robert gemein haben, dürften die meisten Fussballfans wohl zuerst an das Können, die Prahlerei und die vielen spektakulären Tore denken. Was man vielleicht nicht sofort im Kopf hat ist, dass diese beiden französischen Nationalspieler auf einer kleinen Insel im Indischen Ozean geboren und aufgewachsen sind.

Réunion liegt vor der Ostküste Afrikas, zwischen Madagaskar und Mauritius. Trotz seiner geringen Größe von nur rund 2.500 km² kann Réunion eine beeindruckende Fussballtradition vorweisen, die weit mehr zu bieten hat als Payet und Robert.

Florent Sinama-Pongolle, der Star bei Frankreichs Triumph bei der FIFA U-17-Weltmeisterschaft 2001, der später für den FC Liverpool und Atlético Madrid spielte, stammt ebenfalls von der Insel. Und auch Didier Agathe kommt von Réunion, der sich bei Montpellier, Raith Rovers und Hibernian als rastloser Angreifer etablierte, bevor er Celtic Glasgow zum dynamischen Flügelspieler umfunktioniert wurde und Titel am Fließband gewann.

Es fällt auf, dass alle genannten Akteure von Réunion Angreifer sind und Agathe bestätigt, dass dies keineswegs Zufall ist.

"Ich denke, das entspricht dem Naturell der Menschen auf der Insel", sagte er gegenüberFIFA.com. "Glücklicherweise haben wir auf Réunion kein großes Problem mit Rassismus. Es gibt viele gemischte Familien. Das bedeutet, dass man letztlich die Stärken all der Menschen aus Asien, Afrika und Europa zusammenbringt, die auf der Insel leben.

Es stimmt auch, dass wir nicht eben viele große, kompromisslose Verteidiger hervorbringen. Und typische Neuner gibt es auch nicht unbedingt viele. Aber wenn wir von Flügelspielern oder offensiven Mittelfeldspielern reden, dann sind wir ganz vorn mit dabei, davon haben wir eine Menge. Réunion spezialisiert sich ganz offenbar auf Spieler mit viel Flair."

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Hätten Sie's gewusst?

Roger Milla spielte Amateurfussball auf Réunion, bevor er vor der FIFA Fussball-WM Italien 1990™ den folgenreichen Anruf bekam, in die Nationalmannschaft Kameruns zurückzukehren. "Ich hatte genug vom Profifussball in Frankreich und flog nach Réunion, um bei einem Freund Urlaub zu machen", erzählt er. "Letztlich blieb ich volle neun Monate und spielte für eins der Fussballteams vor Ort."

Réunion liegt zwar entlegen im Indischen Ozean, doch da es als Überseeterritorium zu Frankreich und damit zur Europäischen Union gehört, sind die Bindungen in die Alte Welt sehr eng. Dies vereinfacht den Wechsel vielversprechender Spieler nach Europa, wo naturgemäß Frankreich das wichtigste Ziel ist. Doch Agathe hat – trotz COVID-19 und Brexit – einen weiteren Weg eröffnet, nämlich nach Großbritannien.

"Ich habe einige Jahre lang eine Nachwuchsakademie auf Réunion geleitet. Daher weiß ich, dass es dort viele Talente gibt", erklärt er. "Jetzt bin ich wieder in Großbritannien, in Sunderland, und arbeite für die Park View Academy of Sport (und nebenher als Trainer des Freizeitteams Chester-le-Street United). Ich bringe immer wieder mal ein paar Spieler von Réunion zum Spielen hierher. Sie kommen für ein sechswöchiges Projekt hierher. Und wenn sie überzeugen, dann können sie auch länger bleiben.

Fussball ist die populärste Sportart auf Réunion, keine Frage. Und obwohl es eine kleine Insel ist, bringen wir viele Talente hervor. Jahr für Jahr verlassen rund 25 Spieler die Insel, die hauptsächlich nach Frankreich gehen. Ich versuche, mehr von ihnen dazu zu bringen, nach Großbritannien zu kommen, Englisch zu lernen, sich an die Kultur und Mentalität hier zu gewöhnen, und ich bin sicher, dass letztlich einige durchaus Eindruck machen werden.

"Ich warne die Spieler allerdings auch immer vor Sunderland. Das Wetter hier und der Akzent der Leute sind wirklich heftig. Das ist ganz ähnlich wie in Schottland. Aber genau wie in Schottland sind auch hier die Menschen sehr warmherzig. Und das lieben die Spieler. Für sie ist es ein Traum, hierher zu kommen und hier Fussball zu spielen. Und wenn sie es nicht schaffen, dann war es wenigstens ein schönes Erlebnis und eine wertvolle Erfahrung."

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Agathe weiß aus eigener Erfahrung: Gelingt es den Spielern von Réunion, sich mit dem Dialekt anzufreunden und sich gegen den Wind und den Regen zu wappnen - und natürlich auf dem Spielfeld zu bestehen - dann können sie zu Helden werden. Der 45-Jährige ist weiterhin eine Legende bei Celtic Glasgow, dem Klub, dem er zum ersten nationalen Triple seit 32 Jahren verholfen hat.

"Ich bin wirklich gesegnet worden", so der Mann, von dem Trainer Martin O'Neill feststellte, dass er sich "von einem Spieler für GBP 50.000 zu einem für GBP 29 Millionen entwickelt hat". "Wenn ich aufs Feld lief, wollte ich nichts anderes als die Leute glücklich machen. Es ist einfach fantastisch und unglaublich, dass mich dieser Wunsch zu einem so fantastischen Klub wie Celtic geführt hat, zu einer großartigen Zeit mit herausragenden Teamkameraden wie Henrik Larsson - einfach unglaublich. Ich bin sehr stolz auf das, was ich dort erreicht habe."

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Doch bei all seinen Erfolgen hat Agathe niemals seine Wurzeln vergessen. Derzeit hindern ihn die aktuellen Reisebeschränkungen in Großbritannien daran, zurückzukehren. Doch sobald COVID es zulässt wird er sich wieder auf den Weg zu der schönen Insel machen, von der er stammt.

"Ich reise oft zurück nach Réunion, denn meine gesamte Familie lebt noch dort", sagt er. "Meine Zukunft sehe ich allerdings nicht auf der Insel, denn ich will Trainer werden. Ich habe meine A-Lizenz gemacht und mir gefallen vor allem die menschlichen Aspekte der Trainerarbeit: Mit meinen Spielern zu reden und das Beste aus ihnen herauszuholen.

Aber Réunion wird immer meine Heimat bleiben." Es ist ein wunderschönes Land, sehr multikulturell geprägt, und weil es Teil der EU ist, ist es viel einfacher, dorthin zu reisen als in andere Länder der Region. Es ist ein echtes Paradies, sehr sicher zu bereisen, und ich würde jedem, der die Chance hat, dorthin zu reisen, sagen: 'Nutze sie, los!' Ich bin sehr stolz darauf, Réunion meine Heimat zu nennen."

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