Mittwoch 17 April 2019, 12:34

Israel: Mit Herzog gegen die Vergangenheit

  • Israels Trainer Andi Herzog über den guten Start in die EM-Qualifikation

  • Österreichische Legende gewinnt mit 4:2 gegen ihr Heimatland

  • Herzogs neue Mannschaft macht in der aktuellen FIFA-Rangliste den größten Sprung

Israel mag Andi Herzogs erste Station als dauerhafter Cheftrainer einer A-Mannschaft sein, aber ein Neuling ist der Mann, der als einziger Österreicher mehr als 100 Länderspiele bestritt, natürlich nicht.

Schon bei seinem Amtsantritt vor acht Monaten bemerkte er gegenüber FIFA.com: "Es gab da gewisse Unterstellungen, mir könnte es an Erfahrung mangeln. Aber in den vergangenen zehn Jahren war ich Assistenz- und Cheftrainer der österreichischen U-21-Auswahl sowie Assistenztrainer bei der UEFA EURO 2008 und der FIFA WM 2014. Wer da keine Erfahrungen sammelt, muss schon blöd sein!"

Als Spielmacher erwarb sich Herzog zu seiner aktiven Zeit Legendenstatus im Trikot der österreichischen Nationalmannschaft, für die er bei zwei FIFA Fussball-Weltmeisterschaften™ den Taktstock im Mittelfeld schwang. Später wurde er Kapitän und Rekordnationalspieler. Fast zwangsläufig wurde er angesichts dessen auch als österreichischer Nationaltrainer gehandelt.

"Vier Mal sollte ich eigentlich schon Cheftrainer werden, aber dann wurde immer ein anderer verpflichtet, bis ich mir schließlich gesagt habe: 'Es wird Zeit, etwas anderes zu machen.' Dann kam das Angebot von Jürgen Klinsmann und ich bin für fünf Jahre zu US Soccer gegangen. Für mich war das großartig", erzählt er.

Nachdem Herzog also in Brasilien 2014 und anderswo reichlich Wissen aufgesaugt hatte, stürzte er sich als inzwischen 50-Jähriger voller Enthusiasmus in seine neue Aufgabe. Eine wichtige WM-Lektion erwies sich dabei schon als überaus nützlich, denn schon in seinem zweiten Qualifikationsspiel für die UEFA EURO 2020 musste der Österreicher gegen sein Heimatland antreten.

"Wir hatten die selbe Situation, als Jürgen Klinsmann bei der Weltmeisterschaft 2014 mit den USA gegen Deutschland angetreten ist", berichtet der ehemalige Spieler von Bayern München über seinen damaligen Mannschaftskameraden. "Jürgen hat das perfekt geregelt. Ich habe mir das bei ihm abgeschaut und es genauso gemacht."

Was bei Klinsmann perfekt war, war bei Herzog dann allerdings besser als perfekt. Denn während die USA durch ein Tor von Thomas Müller gegen den späteren Weltmeister unterlagen, startete Israel beim 4:2 im Hurrastil in die Qualifikation. Dabei musste die Mannschaft allerdings auch Nehmerqualitäten beweisen.

"In der zweiten Hälfte kam meine Mannschaft dann ins Rollen, und an einem guten Tag können wir uns eine Menge Chancen erspielen, wenn wir offensiv agieren. Als ehemaliger Spielmacher sehe ich das gern, zumal meine Trainerphilosophie ohnehin eher offensiv ausgerichtet ist."

Auf Wiedergutmachungskurs

Nach dem Unentschieden im ersten Spiel gegen Slowenien machte der anschließende Sieg gegen Österreich aus Israel den Aufsteiger der jüngsten FIFA/Coca-Cola-Weltrangliste. Die Mannschaft kletterte um acht Plätze auf Position 84. Dabei hatte Herzog nach eigener Aussage viel zu tun, um ein Team "wieder in die Spur zu bringen", das seit 2016 (gegen Liechtenstein) kein Länderspiel mehr gewonnen hatte. Außerdem gab es da ja noch diese Geschichte aus der Vergangenheit.

Ein Freistoß von Kapitän Herzog in letzter Sekunde kostete Israel einst den Einzug in die Playoff-Runde in der Qualifikation für Korea/Japan 2002. Diese Erinnerung schmerzt in Herzogs neuer Wahlheimat bis heute, zumal Mexiko 1970 das letzte internationale Turnier war, für das sich Israel qualifizieren konnte.

"Am Anfang war das die größte Schlagzeile", so Herzog. "Das war nicht gerade hilfreich. Aber ich habe auf meiner ersten Presskonferenz gesagt: 'Ich habe damals als Kapitän das Beste für meine Mannschaft gegeben, und jetzt werde ich als Cheftrainer von Israel alles für den Erfolg hier geben.'

Als wir dann unsere ersten beiden Spiele verloren haben, kamen natürlich prompt die Kritiker um die Ecke, aber das war mir egal. Wichtig war nur, diese ersten Partien zu analysieren und weiterzumachen."

Seitdem hat Israel zu Hause 13 von 15 möglichen Punkten geholt und den Spitzenplatz in der UEFA Nations League nur um ein Tor verpasst. Der Optimismus ist beinahe grenzenlos angesichts der völlig offenen Qualifikationsgruppe für die UEFA EURO 2020.

"Im Augenblick ist Polen der große Favorit, aber ich glaube, in dieser Gruppe kann jeder jeden schlagen", schätzt Herzog, der sich ansonsten bemüht, die Erwartungen zu dämpfen. "Ich träume nicht von der Qualifikation. Am Wichtigsten sind die nächsten beiden Spiele gegen Lettland und Polen.

Die Leute hier sollen sich ruhig von der Euphorie anstecken lassen und träumen. Wir sind auf einem guten Weg und wollen es bleiben, aber man muss realistisch sein. Hoffnung und Freude sind um Moment groß und für das Land und den Ruf des israelischen Fussballs wäre eine Qualifikation wirklich eine ganz, ganz tolle Sache."